Free Birds - Esst uns an einem anderen Tag

Ein Truthahn wollt‘ Geschichte schreiben

Eine Filmkritik von Janosch Leuffen

Pixars Vorherrschaft im Animations-Sektor ist nach wie vor unangefochten – aber immer mehr Studios haben dem zum Disney-Konzern zugehörigen Studio den Kampf angesagt. Härtester Widersacher ist DreamWorks, das mit den Shrek-Filmen und der Madagascar-Trilogie große Erfolge feierte. Nun startet die Effekteschmiede Reel FX einen weiteren Versuch, dem Unternehmen mit der Lampe im Schriftzug das Wasser zu reichen.
Da auch inhaltlich nahezu alles abgegrast zu sein scheint, wird es immer schwieriger, eine neue Geschichte zu erzählen. Regisseur Jimmy Hayward, der Free Birds nach eigenem Drehbuch inszenierte, nimmt sich diesmal den amerikanischen Feiertag Thanksgiving vor. Traditionell werden an diesem Tag Truthähne verspeist. Der Gockel Reggie (deutsche Stimme: Rick Kavanian) findet das Ritual alles andere als toll. Um zu verhindern, dass seine gefiederten Freunde und er gerupft und gebraten auf dem Tisch landen, reist er mittels einer Eier-Zeitmaschine zurück ins 17. Jahrhundert. An der amerikanischen Ostküste wollen Pilger das allererste Thanksgiving inklusive Festschmaus feiern.

Zusammen mit Kumpel Jake (Christian Tramitz) schmiedet Reggie einen kuriosen Rettungsplan – der erstmal gründlich nach hinten los geht. Dem schießwütigen Dynamite Joe (Thomas Fritsch) verdirbt nämlich niemand so schnell eine Feier. Auf der Flucht vor dem Revolverhelden verliebt sich Reggie zu allem Überfluss auch noch in Henne Jenny (Nora Tschirner). Wird es ihm trotzdem gelingen, die Geschichte für immer umzuschreiben?

Ein schmales Budget muss nicht automatisch bedeuten, dass das Ergebnis schlecht ausfällt. Im Vergleich zu etwa Disneys Die Eiskönigin, bei dem die Macher mit 150 Millionen Dollar zu Werke gehen konnten, kommt Free Birds mit "nur" 55 Millionen Dollar wie ein Schmalspurganove daher. Doch Hayward bewies mit seiner ersten Regiearbeit Horton hört ein Hu (kostete 85 Millionen Dollar), dass er das Beste herausholen kann.

Umso bedauerlicher, dass die Rechnung diesmal nicht aufgeht. Während der Beginn noch rasant und spritzig in Szene gesetzt ist, gerät der der weitere Verlauf der chaotischen Flattermann-Science-Fiction auf Abwege. Das Prozedere bemüht sich, mit seinem Genremix zu punkten. Vor allem für die kleinen Zuschauer ergibt sich ein durchgeknalltes Potpourri, dass durch sein Krawumm und die entstehende Hektik Emotionen einfach wegbügelt.

Es gibt nette Zitate an Filmklassiker wie Zurück in die Zukunft und Indiana Jones, teils flotte Sprüche, aber viele Gags bleiben auf der Strecke. Das liegt auch an der Thanksgiving-Thematik, die hierzulande nicht sonderlich verbreitet ist. Ein weiteres Problem ist dann doch tatsächlich die biedere Visualisierung. Free Birds ist, wie man so schön sagt, einfach nicht "State of the Art". In den Baumwipfeln beispielsweise regt sich kein Lüftchen, die Grashalme unter den Truthahnfüßen knicken nur in Naheinstellungen. Durch diese stellenweise auftretende Beton-Optik büßt der Film jede Menge Charme ein.

Haywards zweiter Ausflug ins Animations-Genre hinterlässt einen faden Eindruck. Die Geschichte hätte durchaus Potenzial für einen ansehnlichen Kinderfilm gehabt. Diese Chance lässt der Autor und Regisseur mit einer holprigen Inszenierung und überraschend mauen Impressionen weitgehend ungenutzt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/free-birds-esst-uns-an-einem-anderen-tag