Finsterworld

Deutschlands dunkle Seite

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

"I listen to the wind, to the wind of my soul" - wenn ein Film mit Cat Stevens anfängt, mit idyllischen Waldbildern, mit einem freien Raben als Gefährten eines freien Mannes: Dann kann das nicht schlecht sein.
Wobei klar zu sagen ist: Finsterworld ist eine Komödie, eine böse, schwarze, satirische, aber auch unglaublich witzige Komödie. Christian Kracht, Finsterwalders Mann, hat das Drehbuch mitgeschrieben, der Film steckt voller bösartiger Beobachtungen, karikierter Figuren, klarsichtiger Apperçus, scharfer Bonmots. Was daran ernst gemeint ist, was ironisch, was banal ist und was ganz einfach Quatsch: Das herauszufinden ist Aufgabe des Zuschauers. Eine Aufgabe, die nicht leicht, vielleicht unmöglich ist. Die aber Spaß macht.

Episodisch ist Finsterworld aufgebaut, mit ein paar Figuren und ihren Geschichten, deren Zusammenhang lange nicht klar ist; die aber immerhin von großen Darstellern gespielt werden, von Sandra Hüller über Corinna Harfouch bis Margit Carstensen, von Christoph Bach über Bernhard Schütz bis Ronald Zehrfeld. Michael Maertens spielt einen Fußpfleger, allein sein Bestechungsversuch nach Handytelefonat am Steuer beim Polizisten, den Zehrfeld gibt, ist ein wunderbar genau getimter Minisketch. Wobei der Fußpfleger noch mehr zu bieten hat. Kekse mit Geheimrezept, das alte Damen von den Socken haut.

Zehrfeld ist der Mann einer Dokumentarfilmregisseurin, Sandra Hüller, die so selbstbezogen ist, so fixiert auf ihr Leiden am miesen Zustand des Filmemachens, dass sie sowieso nichts hinkriegt. Hat sich Finsterwalder, die zuvor Dokumentarfilme gemacht hat, hier selbst porträtiert? Eine weitere der vielen lustvollen Ambivalenzen, die der Film bietet...

Corinna Harfouch und Bernhard Schütz sind reiche Leute, die Deutschland unglaublich scheiße finden und auf alles kotzen, was nicht bei drei tut, was sie wollen. Wie Schütz abkotzt über Konsumscheiße und Architektur, über Vergangenheitsfixierung und Industriemacht - eine herrliche Hasspredigt! Ihr Sohn ist ein arroganter, verwöhnter Schnösel, dem der KZ-Besuch mit dem Geschichts-LK scheißegal ist, der sich lieber mit der etwas ärmeren, aber scharfzüngigen Mitschülerin kabbelt. Und sie auch mal in den Verbrennungsofen der Gedenkstätte schließt - eines der vielen Märchenmotive, die in den Film einfließen. Wie auch Zehrfeld, der sich manchmal in einen Bären verwandelt, der bei Furry-Partys mitmacht, wo seltsame Fetischisten als Kuscheltiere verkleidet sich aneinander reiben.

Am Ende geht alles schlecht aus. Weil die Welt schlecht ist. Das Gute wird bestraft, das Freie eingesperrt, das Unschuldige verdorben. Eine Finsterworld eben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/finsterworld