Alfie, der kleine Werwolf

Kunterbunte Werwolf-Welt

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Kleine Zauberer und Vampirschwestern haben schon lange die Leinwände für die jungen Zuschauer erobert, jetzt kommt ein Werwolf hinzu, der aber (zumindest zunächst) nicht mit seinen Abenteuern begeistern, sondern etwas lehren will: Anders sein ist gar nicht so schlimm! Alfie, der kleine Werwolf macht das auf eine charmante Art und Weise, auf mehreren Ebenen und in einer putzigen Mischung aus Harry Potter und Pippi Langstrumpf.
Alfie (Ole Kroes) ist ein Findelkind; als Säugling wurde er in einem Korb vor dem Hause der Vriends abgesetzt, die ihn liebevoll aufnahmen und in ihm einen wunderbaren kleinen Bruder für ihren Sohn Timmie (Maas Bronkhuizen) sahen. Alfie wächst seitdem in einer harmonischen Familie in einer überschaulichen Kleinstadt auf, in der es die seltsame Nachbarin gibt, die engagierten Lehrer, die hübsche Klassenkameradin, in die Alfie seit langem verliebt ist, und den Fiesling in der Klasse, der es besonders auf Timmie und Alfie abgesehen hat. Soweit lebt Alfie also das Leben eines ganz gewöhnlichen Kindes. Bis er sich am Vorabend seines siebten Geburtstags plötzlich in einen Wolf verwandelt, wie wildgeworden durch die Nachbarschaft rennt und ein Huhn aus dem Stall von Nachbarin Krijtjes (Trudy Labij) zerfleischt und lebendig herunterschluckt.

Am nächsten Morgen wacht Alfie schuldbewusst und betroffen auf: Er sei eine wilde Bestie, sagt er immer wieder, kann es selbst nicht fassen, zieht sich immer mehr in sich selbst zurück und hat Angst vor dem Wolf in sich. Seinen Geburtstagskuchen probiert er nur löffelspitzenweise, erinnert ihn die Sahnekäsetorte mit Himbeeren doch allzu stark an das blutende Huhn der vorherigen Nacht. Bruder Timmie findet den Werwolf in Alfie toll – schließlich birgt das Werwolfsein auch viele Vorteile: So könnte man all den Leuten, die man nicht leiden kann, einen Schreck einjagen. Doch Alfie hasst es, 'nicht normal' zu sein.

Normal, anders, besonders – dies sind Begriffe, denen es im Film geht und die durchaus (und bisweilen auf etwas platte Weise) ein pädagogisches Ziel verfolgen: Den kleinen Zuschauern soll vor Augen geführt werden, dass es nicht schlimm ist, anders zu sein, sondern dass man dazu stehen soll, und dass einen die Menschen, die einen lieben, auch mit diesem Anderssein lieben. Vorbildcharakter hat im Film Alfies Adoptivvater (Remko Vrijday), der Hausmann ist und seine Rolle liebt: Zu Alfies Geburtstag backt er ausgefallene Kuchen und kitschige Törtchen für die Schule, geht mit den seltsamsten Hüten auf dem Kopf vor die Tür und zieht sich gerne einmal Frauenklamotten an. Er wird von der ganzen Familie belächelt und immer wieder kopfschüttelnd beäugt, doch macht ihm das nichts aus. Mit einer "Ich bin eben so"-Haltung macht er deutlich, dass er Spaß hat an seiner Rolle als Hausmann und an ein bisschen verrücktem Anderssein.

Alfie muss genau diese Einstellung lernen. Ohnehin ein schüchterner Junge hadert er sehr damit, ein Wolf zu sein. Er leiht sich Bücher über Werwölfe aus, will alles darüber wissen. Und auch die diesjährige Schulaufführung in der Weihnachtszeit, Peter und der Wolf, scheint in den Moment zu passen. Und er sucht den Mann, der die Antworten zu wissen scheint auf seine Fragen. Der geheimnisvolle Mann stellt sich schließlich als sein Großvater (Joop Keesmaat) heraus, und allmählich beginnt sich für Alfie die Lage zu entspannen. Alfie möchte schon seit langem wissen, woher er kommt und wer seine 'richtigen' Eltern sind – das ist seine Chance!

Der Film – eine Adaption der holländischen Kinderbuchserie DolfjeWerfolje von Paul van Loon und 2012 ausgezeichnet mit dem Europäischen Kinderfilmpreis auf dem Schlingel-Festival in Chemnitz – ist eine eigenwillige Mischung verschiedenster Kinderfilme, und diesen Mix muss man mögen: Der Soundtrack erinnert sehr an die Harry Potter-Reihe; die bunte Welt aus Törtchen, angemalten Wohnungen und farbenreichen Kostümen lässt den Kosmos einer Villa Kunterbunt aufleben. Die etwas amateurhaft anmutende Verwandlung des kleinen Alfie in einen Werwolf passt hierzu ganz gut, doch macht sie auch bewusst, dass es sich hier um eine Erzählung handelt – was für Kinderzuschauer vielleicht auch ganz angenehm, weil nicht angsteinflößend ist. In jedem Fall ist Alfie, der kleine Werwolf ein charmanter Kinderfilm, der zwar nicht allen Erwachsenen gefallen wird, aber das ist ja auch nicht schlimm.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/alfie-der-kleine-werwolf