Global Player - Wo wir sind isch vorne

Hilfe, die Chinesen kommen!

Eine Filmkritik von Christian Horn

Nach seinem Debütfilm Berlin is in Germany (2001) und dem Episodenfilm One Day in Europe (2005) feierte Hannes Stöhr mit Berlin Calling (2008) seinen bislang größten Erfolg. Gemeinsam ist den Filmen trotz aller Unterschiede, dass Stöhr mit seinen Geschichten gesellschaftliche Zustände beschreibt: Ein Häftling, der im Knast den Mauerfall verpasst und nach seiner Entlassung ein verändertes Deutschland vorfindet, ein Figurenensemble, das quer durch Europa kulturelle Unterschiede erlebt, und ein Berliner DJ, der als Mittelpunkt einer Milieuschilderung der Partyszene fungiert. In der Tragikomödie Global Player - Wo wir sind isch vorne nutzt Hannes Stöhr nun die wirtschaftliche Krise eines schwäbischen Familienunternehmens, um die Auswirkungen der Globalisierung zu thematisieren. Während die Geschicke der Firma in direkter Weise auf das Familienumfeld der Geschäftsführer einwirken, beeinflusst die Globalisierung – hier in Form chinesischer Geschäftsmänner – in ebenso direkter Weise die wirtschaftliche Lage des Betriebs.
Die mittelständische Textilfabrik "Bogenschütz und Söhne" im schwäbischen Hechingen steht kurz vor der Insolvenz. Dem Unternehmen geht vorne und hinten das Geld aus, die Banken gewähren keine Kredite mehr und die Lohnzahlungen geraten auf Kosten der Belegschaft ins Stocken. Der 90-jährige Seniorchef Paul (Walter Schultheiß) lebt mental noch in den goldenen Zeiten des Wirtschaftswunders, in denen sein damals prosperierendes Unternehmen etwa mit Nylonstrumpfhosen groß wurde, und hat den Anschluss an neuere Entwicklungen verpasst. Seinem Sohn Michael (Christoph Bach), der das Familienunternehmen in Zeiten von Finanzkrise und Globalisierung leitet, macht der sture Senior mit ständigen Einmischungen in den Geschäftsablauf das Leben schwer.

Ein Dorn im Auge des Seniors sind vor allem die Geschäftsmänner aus Shanghai, die mit "Bogenschütz und Söhne" kooperieren, die Patente des Betriebs dreist ignorieren und in Asien produzierte Produkt-Kopien zu Billigpreisen auf den Markt werfen. "Finger weg vom Chinesen!" mahnt der Vater immer und immer wieder, wobei sein Vetorecht in allen Entscheidungen des Sohnes stets wie ein Damoklesschwert über den Rettungsversuchen des Juniorchefs schwebt – ein waschechter Generationenkonflikt. Als die Chinesen das schwäbische Unternehmen aufkaufen wollen und Michael kaum eine andere Möglichkeit als eine Zusage bleibt, verschärfen sich die familiären Konflikte. So will Paul die Häuser seiner Töchter Marlies (Inka Friedrich) und Marianne (Ulrike Folkerts) an die Bank verpfänden, um die Fabrik zu retten – und Michael tritt ohne das Wissen des Vaters in Verhandlungen mit den Chinesen.

Auch wenn das Eröffnungsbild die Neonlicht-Skyline von Shanghai zeigt, kann man Global Player in mancherlei Hinsicht als deutschen Heimatfilm bezeichnen. So kehrt Hannes Stöhr für die Produktion in seine eigene Heimat Hechingen zurück und der dortige schwäbische Dialekt spielt bei der Komik eine nicht unerhebliche Rolle, was mit der Wendung "Wo wir sind isch vorne" passenderweise schon der Titelzusatz anzeigt. Vor allem der grantig aufspielende Walter Schultheiß, der als Familienoberhaupt und Firmengründer gleichermaßen im Mittelpunkt steht, liefert viele komische Momente, wenn er sich über die "Kinesen" ereifert oder sich mit seiner resoluten Pflegerin Agnieschka (Monika Anna Wojtyllo) kabbelt.

Ein Heimatfilm ist Global Player auch deswegen, weil Hannes Stöhr die Auswüchse der Globalisierung mitten im Schwabenländle ausfindig macht, das die mit Maultaschen verköstigten Gäste aus China als "südliche Provinz" bezeichnen. In einer vielsagenden Sequenz besichtigt Michael Bogenschütz mit einer chinesischen Wirtschaftsdelegation die Burg Hohenzollern, als sich einer der Gäste aus Fernost für den Kaufpreis der geschichtsträchtigen Burg interessiert. Zudem rückt in einem Handlungsstrang um Paul Bogenschütz auch die deutsche Geschichte ins Blickfeld, wenn der ehemalige Weltkriegssoldat nach Köln und Berlin reist und sich dabei Erinnerungen an die Nazizeit und das gebeutelte Nachkriegsdeutschland Bahn brechen, die in einem heftigen Gefühlsausbruch kulminieren. Dass Hannes Stöhr in dieser Episode auch dokumentarische Einsprengsel mit Bildern von zerstörten deutschen Städten anbringt, mag etwas deplatziert erscheinen, ergibt im erzählerischen Kontext aber durchaus Sinn.

Bei aller Komik und Ironie verfügt Global Player auch über tragische Momente und einen durchaus ernsthaften Ansatz. Die Sorgen des Juniorchefs Michael, der sein Privateigentum verpfändet, um die Firma zu retten, nimmt Hannes Stöhr zu jeder Zeit Ernst. Wirklich tief dringt die insgesamt harmlose Mischung aus Familien- und Wirtschaftstragikomödie dabei zwar nicht in die Mechanismen der Globalisierung vor, mit den überzeugenden Figuren und dem eingängigen Humor gelingt Hannes Stöhr aber ein kleiner, unterhaltsamer Film, der nicht zuletzt von den starken Darstellern profitiert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/global-player-wo-wir-sind-isch-vorne