Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (2013)

Der Sinn des Lebens

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Seit fast 20 Jahren hat man nun versucht, den Klassiker aus dem Jahr 1947, in dem Danny Kaye die Hauptrolle spielte, neu zu verfilmen. Regisseure und Stars sind gekommen und gegangen, mit Ben Stiller wurde es nun aber wirklich ernst. Herausgekommen ist einer der schönsten Filme des Jahres, der sich trotz locker-leichter Unterhaltung mit den ganz großen Themen beschäftigt, nämlich der Frage, was der Sinn des Lebens ist.

Walter Mitty (Ben Stiller) arbeitet beim "Life Magazine", das eingestellt und durch eine Online-Variante ersetzt wird. Viele Mitarbeiter wird das den Job kosten. Für die letzte Ausgabe soll ein von Starfotograph Sean O’Connell (Sean Penn) gemachtes Foto das Cover zieren. Es drückt, so O’Connell, die Quintessenz des Lebens aus, aber Walter kann es nicht finden. In der Reihe der Negative fehlt es, weswegen sich Walter auf die Spurensuche begibt. Er sucht nach O’Connell, verlässt seine eigene Wohlfühlzone der Tagträumerei und tritt hinaus in die Welt, nicht ahnend, dass das, was er erlebt, ihn für alle Zeiten verändern wird.

Nur selten ist im Leben etwas perfekt. Perfektion hat eine gewisse Hässlichkeit an sich, denn sie wirkt klinisch rein, steril, unwirklich. Dementsprechend ist es ein Kompliment, Das erstaunliche Leben des Walter Mitty als nicht perfekten Film zu bezeichnen. Es sind die Ausreißer im Erzählfluss, die ihn durchaus sympathisch erscheinen lassen. Was Walter Mittys Tagträume betrifft, ist der Himmel das Limit. Wenn Walter sich aus dieser Welt verabschiedet und in seine eigene eintaucht, dann ist alles möglich, selbst ein alberner Gag auf Der seltsame Fall des Benjamin Button, der eher in einem halbgaren Parodie-Film als in dieser liebevollen Zelebration des menschlichen Geistes aufgehoben wäre.

Natürlich handhabt der Film Klischees. Es ist schließlich die Geschichte eines Mannes, der seinen Job macht, nichts erlebt, aber der sich dann für die Welt öffnet. Und sie öffnet sich für ihn, so dass er am Ende ein anderer ist. Der Abenteurer, von dem er immer geträumt hat. Das ist eine in Hollywood beliebte Konvention, haarscharf am Kitsch vorbei und weit jenseits der Realität. Aber Das erstaunliche Leben des Walter Mitty will die Realität nicht abbilden. Dies ist ein Film, der die Phantasie hochleben lässt, der den kleinen Mann feiert und der festen Überzeugung ist, dass man Träume niemals aufgeben darf. Sie sind die Essenz des Lebens, sie sind es, die uns alle antreiben. Wer keine Träume hat, der ist innerlich schon tot. Aber es muss die richtige Art von Traum sein. Je mehr Walter in die Welt hinausgeht und Dinge erlebt, von denen man sonst nur in den Zeitungen liest, desto weniger verfällt er seinen Tagträumen. Denn sie waren nur der Ersatz für etwas, das seinem Leben fehlte.

Exzellent gespielt (so gut wie nie zuvor: Ben Stiller), atemberaubend gefilmt und musikalisch verspielt untermalt, ist Das erstaunliche Leben des Walter Mitty eine Überraschung. Ein Film, der (fast) wie eine normale Romanze beginnt, effekttechnisch wie ein Blockbuster daherkommt, aber vor allem eines kann: Die pure Freude am Leben spürbar werden zu lassen.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/das-erstaunliche-leben-des-walter-mitty-2013