Viva la libertà

Doppelgänger in der Politik

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Politische Satire ist ein schwieriges Geschäft, umso mehr, wenn das Publikum nicht voll im Thema steckt. Darum gibt es bei Viva la libertà Nuancen, die Nicht-Italienern sicherlich verborgen bleiben, aber das ändert nichts daran, dass diese anspruchsvolle Arthaus-Komödie auch außerhalb Italiens ihren Reiz entfalten kann.
Enrico (Toni Servillo) leitet die wichtigste italienische Oppositionspartei, aber das politische Leben hat es in sich. In Umfragen rangiert er im Keller und der Intrigen kann er sich kaum erwehren. Als ihm alles zu viel wird, verschwindet er nach Paris, wo er bei seiner ehemaligen Geliebten Danielle (Valeria Bruni Tedeschi) Unterschlupf sucht. Da sein Verschwinden in der Partei zu Panik führt, hat sein Vertrauter die rettende Idee: Enricos Zwillingsbruder Giovanni muss in dessen Rolle schlüpfen. Dumm nur, dass er erstens ein Exzentriker ist und zweitens Gefallen an der Politik findet. Schon bald ändert sich was im italienischen Politik-Gewerbe …

Roberto Andò hat hier seinen eigenen Roman verfilmt, aber eine zu große Nähe, die seiner Objektivität schaden könnte, kann man ihm wahrlich nicht unterstellen. Denn Andò präsentiert mit Viva la libertà einen Film, der den Politikverdrossenen aus dem Herzen spricht. Mit Giovanni präsentiert Andò einen Politiker, wie man ihn sich wünschen würde: Klar, ehrlich, ohne die übliche Phrasendrescherei. Derart erfrischend ist die Politik nur in ganz seltenen Momenten – vornehmlich dann, wenn mit Journalisten gezankt wird –, aber es ist eben diese Attitüde, die Giovanni von den Berufspolitikern abhebt. In der Doppelrolle brilliert Toni Servillo, der mit einem Gesichtsausdruck mehr aussagen kann, als manch anderer in 90 Minuten bemühtem Schauspiel. Er übertreibt es jedoch nie, vielmehr nimmt er sein Spiel zurück, um so den Kontrast zwischen den ungleichen Brüdern noch zu verstärken.

Am Ende kocht aber auch Giovanni nur mit Wasser. Die Missstände benennen ist eine Sache, die Phrasen zur Hölle schicken noch eine ganz andere, aber Lösungsansätze in der Politik zu finden, ist immer schwierig. Daran lässt Andò keinen Zweifel, auch wenn die italienische Situation mit fast jährlich neuer Regierungsbildung nicht auf hiesige Zustände übertragbar ist. Eine Wahrheit macht Viva la libertà aber auch für den deutschen Zuschauer interessant: Heilsbringer gibt es in der Politik nicht, etwas mehr Ehrlichkeit würde diesem Berufsstand aber gut zu Gesicht stehen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/viva-la-liberta