Night Moves (2013)

Eine bessere Welt, irgendwann

Eine Filmkritik von Tim Slagman

Josh würde sich gerne verstellen können. Doch es gelingt ihm nicht: Wenn Touristen ihn in einem Nationalpark in Oregon anquatschen, dann bleibt er still, diese Stille ist sein Schutzpanzer und sein Gefängnis. In Josh arbeitet es.

Dieses Es ist die treibende Kraft in Kelly Reichardts neuem Film, einem hypnotisch entschleunigten Thriller. Und das nicht etwa deshalb, weil Josh und seine "partners in crime" Dena und Harmon von Kräften gesteuert würden, die Ihnen nicht bewusst wären, nein: Ihre Entscheidung, von Öko-Aktivisten zu Öko-Terroristen zu werden und einen hydroelektrischen Damm zu sprengen, war mit Sicherheit eine wohl überlegte, diskutierte, keineswegs zwangsläufige. Aber Reichardt hat einen Film rund um diese Unternehmung gedreht, der so schweigsam ist wie sein Protagonist. Für Erklärungen und Abwägungen interessiert sie sich nicht, sondern für das Aufzeichnen eines Dilemmas in einer hypothetischen Situation.

So werden die drei Umweltbewegten zu doppelt Getriebenen: erst ihrer Entscheidung, dann ihrer Tat. Dies bedeutet zum einen eine akribische Beschreibung der Vorbereitung des Anschlags, die gipfelt in einer langen Dialogszene, in der sich Dakota Fanning als Dena damit abmüht, genug Ammoniumnitratdünger kaufen zu dürfen, um daraus die Bombe zu bauen. Spätere Spannungsmomente drehen sich um konventionellere Standardobjekte und Situationen, um einen Zeitzünder etwa oder eine Polizeikontrolle.

Das Besondere der Methode Reichardt liegt darin, dennoch nicht zu filmästhetischen Mitteln der Beschleunigung greifen zu wollen. Ihre Idee vom Thriller hat wenig mit Bewegung und schon gar nichts mit Hektik zu tun, sei es der Kamera oder der Figuren im Raum. Die dramatische Spannung ist bei ihr internalisiert: in den Dingen, in den Gesichtern oder in der ebenso weiten wie schroffen Natur, die wie schon in Meek’s Cutoff oder Wendy and Lucy einen Hintergrund darstellt, der die Figuren formt und ihnen Gesetze auferlegt.

Nun ist das Naturbild des Films zwangsläufig ein doppeltes: In der Flucht vor der Zivilisation realisiert sich die Ambivalenz des Archaischen. Oregon hat nichts Romantisches bei Reichardt an sich, aber die Waldteppiche sind schon einigermaßen satt und heimelig, immerhin ist die Landschaft hier auch Objekt der Handlung, das es – wenigstens in den Köpfen der Aktivisten – zu retten gilt. Dass etwas fürchterlich schief gehen wird bei der Aktion, ist in diesem Kontext dann schon keine echte Überraschung mehr.

So wird Reichardts neue Arbeit zu einem faszinierenden Geflecht von Paradoxien. Die Handlung lebt von Effekten – nicht zuletzt ist Terror ja auch eine Kommunikationsstrategie – ohne diese Effekte je ins Bild zu setzen. Und sie treibt die Figuren unerbittlich voran, viel mehr, als dass sie umgekehrt von ihnen angetrieben würde. Das alles arbeitet in Josh. In Jesse Eisenbergs abweisender Miene, zwischen den feindselig zusammengekniffenen Augen oder irgendwo in einer scheinbar gelangweilten, glatten Offenheit, die mit Freundlichkeit nicht zu verwechseln ist, verbirgt sich stets die Ahnung, dass es in einer besseren Welt mit besseren Menschen auch anders kommen könnte. Aber nicht hier und nicht heute.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/night-moves-2013