Schwarzer Panther

Die Schönheit des Verbotenen

Eine Filmkritik von Alina Impe

Die Debatte um inzestuöse Liebesbeziehungen ist in Deutschland nicht nur ein weites Feld, sondern auch ein widersprüchliches. Der Paragraph 173 im Strafgesetzbuch verbietet zwar den vaginalen Beischlaf von Verwandten 1. Grades, sieht jedoch von einer Bestrafung anderer sexueller Praktiken zwischen Blutsverwandten ab. Auch die Gründe für das Inzestverbot sind vielfältig und teilweise strafrechtlich nur schwer zu legitimieren. Hauptargument sind nach wie vor die häufig auftretenden Erbschäden der Nachkommen, die aus Inzestbeziehungen hervorgehen. Allerdings greift das Gesetz auch dann ein und zieht die Betroffenen zur Rechenschaft, wenn eine Schwangerschaft durch entsprechende Präventivmaßnahmen vorab ausgeschlossen wurde. Inzest destabilisiere ferner festgelegte Rollenbilder und gefährde auf lange Sicht die Grenze zwischen sozialen und familiären Beziehungen, was wiederum mit dem Recht zur sexuellen Selbstbestimmung kollidiert. Eine einheitliche Regelung ist auch deshalb so schwer umsetzbar, weil Inzest, zumindest im westlichen Kulturkreis, schon seit langer Zeit als gesellschaftliches Tabu gilt. Dementsprechend hoch ist die Dunkelziffer. Wer mehr als nur platonische Gefühle für seine Nächsten hegt, versteckt sich.
Emilie und Jakob sind kein Liebespaar, sondern Geschwister. Aber sie wären es gern. Schon als Teenager war ihre Zuneigung so groß, dass aus harmlosen Zärtlichkeiten irgendwann sexuelle Anziehung wurde. Dann wurden sie erwachsen, Jakob ging als Profi-Skateboarder in die USA, Emilie übernahm das Geschäft der Eltern. Nach dem Tod der Eltern treffen sich die Geschwister nun nach Jahren der Trennung an dem Ort wieder, mit dem sie ihre schönsten Kindheitserinnerungen verbinden: Ein abgelegenes Ferienhaus in den Alpen, das eigentlich verkauft werden soll. Ein Haus, das Schutz vor Ächtung und Stigmatisierung bietet und wo ihr kleines Geheimnis vor dem Rest der Welt sicher ist. Ein Ort, wo die unmögliche Liebe plötzlich wieder möglich scheint.

Zwei Motive ziehen sich auffällig durch Samuel Perriards Langfilmdebüt Schwarzer Panther. Hohe Felswände, weiße Schneekuppen und menschenleere Täler verdeutlichen die Isolation, die Einsamkeit, aber auch die malerische Unwirklichkeit einer märchenhaften Kulisse, in der sich die verbotenen Gefühle der Protagonisten spiegeln. Ein schwarzer Panther hat sich in diese Umgebung verirrt. Ein Tier, das sich sonst nie in den Alpen finden lässt und als metaphorischer Fremdkörper für die Liebesbeziehung des Geschwisterpaares steht: Jakob und Emilie leben in einer Welt, zu der sie sich nicht zugehörig fühlen.

Anfangs zeugen nur heimliche Blicke, einsilbige Gespräche und verschämte Tagträume von der gemeinsamen Sehnsucht, die beide seit ihrer letzten Begegnung zu verstecken und zu verdrängen suchten. Aber das Gefühl ist auf beiden Seiten immer noch da. Aus harmlosen Kabbeleien werden Streicheleinheiten, werden Küsse, wird Sex, wird Inzest. Ab jetzt wird das Bild durch stilisierte Körperlichkeit dominiert, die Samuel Perriard seinen Zuschauern mittels hochauflösender Erotiksequenzen aus extremster Nähe vermittelt. Doch während die Kamera noch den Gipfel der Vereinigung nach dem schönsten Schmerzbild eines Tabubruchs absucht, flacht leider nicht nur die Geschichte ab, sondern auch der hintergründige Diskurs um das Wollen und Verdrängen von gesellschaftlich verpönten Bedürfnissen. Die innere Zerrissenheit der Figuren weicht dem Wunsch nach purer Ästhetik, während die Spur des schwarzen Panthers sich immer weiter verliert. Samuel Perriards Spielfilmdebüt verbleibt somit als Ode an die Schönheit des Verbotenen, in der die visuelle Intensität von Landschaft und Figuren das eigentliche Thema des Films romantisch überformt und eine Liebe, die nicht sein darf, schließlich irgendwo zwischen den Bergen verschwindet.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/schwarzer-panther