Alles inklusive

Ein Film, den Sigmund Freud wohl empfehlen würde

Eine Filmkritik von Peter Osteried

In der Essenz geht es in Alles inklusive vor allem um eins, die Möglichkeit der Veränderung, der Bewegung, dem Entkommen des Schicksals. Nichts muss so bleiben, wie es ist, ein jeder hat das Potenzial in sich, sein eigenes Leben nicht nur zu bestimmen, sondern auch zu lenken. Wer mit seinem Leben unzufrieden ist, der darf zumindest hoffen, dass alles noch ganz anders kommen wird.
Diese Hoffnung treibt auch die Protagonisten des Films an. Ingrid (Hannelore Elsner) erholt sich nach ihrer Hüftoperation im spanischen Ferienort Torremolinos, wo sie in den 70er Jahren sehr verliebt war. In einen Mann, mit dem sie nicht zusammen sein konnte, dessen Ehe aber unter dieser Romanze gelitten hat. Schon als Kind wurde ihre Tochter Apple (Nadja Uhl) Zeugin der intimen Schäferstündchen. Das hat sie geprägt. Ein Gefühl von Sicherheit kannte sie als Kind nicht, darum sucht sie es nun umso mehr, gerät aber immer nur vom Regen in die Traufe, von einer kaputten Beziehung in die nächste. Tim (Hinnerk Schönemann) ist ein Transvestit, der im Hotel auftritt und Ingrid kennt, auch wenn die das gar nicht weiß. Ihrer aller Lebensstränge verschmolzen schon einmal – und nun ist es wieder soweit.

Alles inklusive bewahrt die episodische Struktur von Dörries eigenem Roman. Die Filmemacherin schafft es dabei, die komplexe Narrative mit einander anfangs nicht besonders bedingenden Geschichten nahtlos miteinander zu verweben. Niemals hat man den Eindruck, Stückwerk zu sehen, Alles inklusive ist immer aus einem Guss. Der mit schlankem Team an Originalschauplätzen gedrehte Film erlaubt sich eine Spontanität, die dem Kino häufig abgeht. Die Entscheidung, an echten Urlaubsorten zu drehen und die Urlauber als Hintergrundfiguren einzusetzen, erwies sich als richtig. Sie verleiht dem Film eine Authentizität, die hilft die bewusst spleenigen Figuren in der Normalität zu verankern. Dörrie hat ein Herz für die schrägen Figuren und nicht nur das Verständnis, sondern auch das Fingerspitzengefühl, dem Zuschauer diese Liebe zu den Handlungsträgern zu vermitteln.

Dörries Film gleitet immer haarscharf an der Trennlinie zwischen Komödie und Drama dahin. Er ist beides, ohne irgendein Element stärker zu gewichten. Wie das Leben selbst lässt er sich nicht auf ein Genre festnageln. Alles ist im Fluss und kann in jede Richtung gehen. Darüber hinaus überzeugt Dörrie durch eine erstaunliche Leichtigkeit, mit der sie auch ernste Momente gestaltet. Denn der emotionale Unterbau von Alles inklusive ist alles andere als leichtgewichtiger Natur. Hier geht es schon um die ganz großen Themen, um den Konflikt der Generationen, aber auch um die Verfehlungen, die jeder Lebensentwurf so mit sich bringt. Wo die Hippie-Generation in ihrem Freiheitsdenken an ihren Kindern versagt hat, versagen ihre Kinder mit ihrem Wunsch nach Sicherheit an sich selbst. Den Mittelweg zu finden, ist das eigentlich Schwierige, was dieser Film niemals aus den Augen lässt.

Alles inklusive wird seinem Titel gerecht. Er bietet alles: Humor, Dramatik, ernsthafte Momente, die schrägen Wirrnisse des Lebens und sogar das Happyend, auf das alle heiß sind. Das gönnt Dörrie ihren Figuren und auch dem Zuschauer, wohlwissend, dass dieser Moment des Glücks für sich genommen schön ist, aber jeder Urlaub einmal enden muss.

Der heimliche Star des Films ist übrigens Chica, die französische Bulldogge, die als Dr. Sigmund Freud nicht nur für Apple therapeutischen Wert hat, sondern auch als Katalysator zur Familienzusammenführung dient. Nicht nur Hundeliebhaber werden mit Dr. Freud ihren Spaß haben …

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/alles-inklusive