Amma & Appa

Trauen sich zwei - eine Hochzeit mit Hindernissen

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Franziska Schönenberger und Jayakrishnan Subramanian wollen heiraten. Sie, aus Bayern, hat ihn, aus Indien stammend, beim Studium kennengelernt, sie lieben sich und sind sich ihrer Verbindung sicher. Aber vor allem seine Eltern haben Vorbehalte. Eine Liebesheirat?! Traditionell - und aller Erfahrung nach auch viel beständiger - sei die arrangierte Ehe, wie sie üblich ist in Jays indischer Heimat. Ein Jahr haben die beiden ihre Liebe geheimgehalten, jetzt fahren sie nach Indien: Franzi wird den künftigen Schwiegereltern vorgestellt. Die haben es sowieso schwer mit Jay: Der nicht etwas Vernünftiges, sondern Kunst studieren wollte, und dann noch in Deutschland. Jetzt will er nach der Heirat nicht in Indien leben: Die Mutter klagt - sie hat alles verloren, es ist Brauch, dass die Braut zum Bräutigam zieht, und dass dessen Eltern unterstützt werden...
Es gibt in der derzeitigen Dokumentarfilmszene den Trend des Persönlichen. Man geht von sich aus, man erzählt von sich, benutzt die Ich-Rede und verbirgt seine Subjektivität überhaupt nicht. Dafür nimmt man eine Menge Selbstironie mit rein, die sich in Offenbarungen kleiner privater Details ebenso zeigt wie in der kokett demütigen Haltung als Erzähler, der ja nur ein kleines bisschen, nichts Weltbewegendes, erzählen will - natürlich mit dem Anspruch, bei dem bisschen von sich selbst durchaus das große Ganze im Zielfernrohr zu haben.

Franziska Schönenberger und Jayakrishnan Subramanian wollen natürlich nicht einfach davon reden, wie sie ihre jeweiligen Eltern von ihrer Liebe und ihren Hochzeitsplänen überzeugen wollen. Es geht ums große Ganze: Um den Culture Clash, um die Angst vor dem Fremden, um die Faszination des Exotischen, um die Traditionen in Indien und auch um die ähnlichen Befremdlichkeiten, die einen beim Anblick von Tamilen wie von gestandenen Bayern befallen können. Typischerweise für diese Art von Dokumentarfilm werden bunte Animationen eingeflochten, die in ihrer putzigen Form lustig sind; und hier werden zur Koloratur auch noch indische Liebeslieder eingebunden, mit Impressionen aus dem kleinen Städtchen in Südindien.

Entstanden ist der Film in München an der HFF, wo Franziska Schönenberger studiert. Und wo sie mit ihren Eltern wohnt, die sie als Vergleich hinzuzieht: Amma und Appa in Indien, Mama und Papa in Bayern bei ihren alltäglichen Verrichtungen - das ist eine Sequenz, die am eindrücklichsten ist. Die dann aber alsbald ihre Stimmung ändert - wenn nämlich auch Franziskas Eltern befragt werden, und ihre Vorstellungen von Ehe sich als wenig von Liebe und viel von Vernunft geprägt erkennen lassen. Eine merkwürdige Geisteshaltung des Films scheint auf: Dass hier die arrangierte Ehe, sprich: die Zwangsverheiratung in Indien vielleicht relativiert wird? Oder auch, andersherum: Dass die indischen Vorstellungen von Brauchtum, Tradition, auch Religion mit einem exotistischen Blick betrachtet werden, der nun auch auf das Treiben in Bayern gerichtet wird.

Das ist alles nicht beabsichtigt. Dass man es dem Film aber dennoch ablesen könnte, wenn man wollte: Das spricht nicht für ein durchdachtes Argumentieren der Filmemacher, nicht für einen gelungenen Erzählton. Für Lacher werden die Eltern bloßgestellt: Papa, wie er von Franziskas Faible für dunkelhäutige Inder redet, "ein anderes Wort darf ich hier ja nicht gebrauchen", Mama, die davon spricht, dass die Heirat ihres ersten Freundes, vor dem Kennenlernen des Papas, wirklich eine hundertprozentige Liebesheirat gewesen wäre. Das ist sicherlich aus dem Zusammenhang gerissen, und nicht so gemeint, wie es herüberkommt - aber der Film präsentiert es so, als würde damit etwas Wahres über die Eltern gesagt. Wie er ja auch Amma und Appa immer wieder über Franziska sprechen lässt, über das Leid, das sie in die Familie bringt, wenn sie den Sohn mit nach Deutschland nimmt; und wie die beiden beteuern, dass ihre Söhne immer alle Freiheiten hätte, gerade bei arrangierten Verheiratungen - sie hätten ja aus verschiedenen Kandidatinnen auswählen dürfen (wobei die Bräute natürlich keine Wahl haben).

So steckt der Film irgendwo zwischen lustigem Entertainment und krudem Argumentieren für die Sache der eigenen interkulturellen Liebe fest und reibt sich auf: Die Tamilen werden einmal als die Bayern Indiens bezeichnet, eine Parallelität, die vor allem dadurch vermittelt wird, dass beide "Völker" merkwürdige Denk- und Verhaltensweisen an den Tag legen. Später wird dieses Gegeneinanderstellen, Gegenüberstellen, dieses Vergleichen noch intensiviert, wenn die bayrischen Eltern die indischen besuchen - wobei man zu diesem Zeitpunkt das dann auch schon genügend verstanden hat; beinahe kommt Langeweile auf.

Im ganzen wirkt Amma & Appa wie ein verfilmter Blog, wie ein Internettagebuch, das Persönliches für die gesamte Öffentlichkeit aufbereitet und dabei einen gewollt flotten Ton anschlägt, ohne Rücksicht auf Kollateralschäden. Ohne tiefe gedankliche Durchdringung. Und ohne Bewusstsein seiner selbst.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/amma-appa