I Origins - Im Auge des Ursprungs

Wissenschaft vs. Spiritualität

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Schon mit Another Earth hat Regisseur Mike Cahill ein einfühlsames Drama mit Science-Fiction-Elementen abgeliefert. Mehr noch als dort begibt sich Cahill in I Origins nun aber auf ein Terrain, das mit einem faszinierenden Gedankenkonstrukt den perfekten Stoff für angeregte Diskussionen bietet: über den ewig währenden Konflikt von Wissenschaft gegen Spiritualität.
Dr. Ian Gray (Michael Pitt) ist ein Molekularbiologe, der von Augen fasziniert ist und die Evolution des Auges untersucht. Er kann die Entwicklung in mehreren Stufen nachstellen, aber ihm fehlt der Ursprung. Vonnöten wäre hier ein Lebewesen, das die genetische Präposition hat, Augen zu haben, aber keine besitzt. Seine Assistentin Karen (Brit Marling) macht sich auf die Suche nach einer solchen Lebensform, hat aber Hunderttausende zur Auswahl. Derweil lernt Ian die exotische Sofi (Astrid Bergès-Frisbey) kennen und lieben, aber spirituell gesehen sind beide nicht im Mindesten kompatibel. Jahre später machen Ian und Karen eine bahnbrechende Entdeckung, die alles in Frage stellen könnte, woran sie je geglaubt haben.

Es ist schwer, I Origins gerecht zu werden, ohne die überraschenden Wendungen zu enthüllen. In den ersten zwei Dritteln des Films gestaltet sich I Origins wie ein recht normales Drama rund um eine junge, frische Liebe zwischen Partnern, die sich als Seelenverwandte verstehen, aber in mancherlei Hinsicht sehr unterschiedlich sind. Wo Ian Gray den kalten Intellekt, die logische Ratio, den wissenschaftlichen Ansatz vertritt, ist Sofi sein Gegenteil, eine emotionale, an ihre Spiritualität glaubende Frau, die sich sicher ist, dass mehr zwischen Himmel und Erde existiert, als die Wissenschaft zu erklären imstande ist.

Was dann folgt, ist die eigentliche Geschichte, mit der Cahill die große Frage stellt: Was wäre wenn? Nicht unähnlich Contact, wenn auch inhaltlich überhaupt nicht vergleichbar, erfolgt hier ein Diskurs über die Überschneidungen von Wissenschaft und Spiritualität. Wo endet das eine, wo fängt das andere an? Und was, wenn beide in ihrer dogmatischen Meinungsbildung an der Realität vorbeizielen? Cahill liefert darauf nicht die Antworten, er stellt die Fragen, aber selbst dies nur auf subtile Art und Weise. Er lässt sie seine Figuren nicht aussprechen, ihre Taten sind es, die den Zuschauer die Frage erkennen lassen. Das macht I Origins so viel befriedigender, einhergehend mit einem Schlussbild, das sich einer definitiven Deutung verweigert, aber dafür umso eindringlicher nachwirkt.

I Origins – übrigens ein cleverer Titel, der beide Teile der Geschichte bedient – ist im Kinogeschäft ein seltenes Biest, ein Independent-Film, der mit den Ressourcen und Möglichkeiten einer Mainstream-Produktion verwirklicht wurde und damit auch unterschiedliche Zuschauerschichten anspricht. Mike Cahills Film ist vor allem aber eines: intelligente Unterhaltung, der ein großes Publikum zu wünschen ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/i-origins-im-auge-des-ursprungs