Wir sind die Neuen

Der K(r)ampf der Generationen

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Marketingtechnisch ist Wir sind die Neuen der Clou: Immer mehr "silver ager" gehen ins Kino und wollen gefüttert werden mit Wohlfühlware über Leute in ihrem Alter; und zugleich sollte man die Jungen nicht vernachlässigen. Hier haben wir die Verknüpfung von Alten- und Studenten-WG, inklusive Alterswehwehchen und Angst, Pflegefall zu werden, auf der einen sowie Stress und Belastung durch durchgetaktete Turbostudiengänge auf der anderen Seite.
Nun wäre es natürlich zynisch zu behaupten, Ralf Westhoff hätte schlicht auf das Massen-Appeal gerechnet; vielmehr nimmt er diesen Vorteil einfach freundlich mit in seiner Feelgood-Komödie, die aber eben doch eine gewisse Substanz hat. Und die mit einer Volte interessant wird: Wir sind die Neuen funktioniert nach dem Schema der verkehrten Welt: Die Alten sind die Jugendlichen, die Jungen sind die alten Spießer. Konflikte sind da genauso vorprogrammiert wie Pointen.

Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn ziehen im Rentenalter zusammen. Geldsparen in der teuren Großstadt, Spaß haben und Gemeinschaft erleben, das ist der Plan; und natürlich: Wiederauflebenlassen der alten Studentenzeiten von vor 35 Jahren, als Anne, Eddi und Johannes auch schon mal zusammen wohnten. Und Geld sparten, Spaß hatten und Gemeinschaft erlebten. Streiten und lieben, diskutieren und frei sein soll auf dem Plan stehen, wie damals - aber klar, dass die Vergangenheit das verklärt wird. Und dass die Realität etwas anders aussieht.

Sie wollen ein bisschen rebellisch sein. Und haben das gegnerische Objekt alsbald ausgemacht: Die WG über ihnen besteht nämlich aus Studenten. Die auf die Kehrwoche bestehen. Die für jedes ihrer Schuhpaare eine extra mit Foto gekennzeichnete Box im Flur stehen haben. Die gleich klar machen: Sie sind in der Prüfungsphase, sie können den Alten nicht mal eben helfen, was aus der Apotheke holen oder das Handymenü erklären. Und sie erbitten sich absolute Ruhe aus. Laute Musik, laute Gespräche: "Wir hören alles!" - und dann wird gegen die Decke geklopft.

Antagonismus, der sich in spitzen Wortgefechten entlädt, und in schönen Anfeindungen zwischen den beiden so unterschiedlichen Partien. Schön, wie Westhoff die Klischees umdreht - damit tappt er nämlich nicht in die Betroffenheitsfalle, die bei Geschichten über das Alter oft genug nicht ausbleibt: Nochmal Spaß haben, bevor man in die Grube fährt - das spielt hier zwar eine Rolle, aber ganz verhalten, im Hintergrund. Und das Thema wird dadurch aufgefangen, dass ausgerechnet der Jura-Streber zum Pflegefall wird, mit einem Bandscheibenvorfall.

Klar, dass irgendwann die Annäherung der Mietpartien kommen muss, das läuft über den eingebauten Altruismus der altlinken Alten-WG. Hilfe beim Jura-Lernen, Rückengymnastik und Psychotricks gegen Liebeskummer zeigen deutlich, auf welcher Seite der Film steht: Auf der des Idealismus, des Kümmerns, des unkommerziellen Lebens statt der des trockenen, karrieregetriebenen Ego-Trips und des festgefahrenen Korinthenkackens. Da bräuchte es den ständigen Voice Over-Kommentar, in dem Gisela Schneebergers Anne das Geschehen kommentiert, ab und an kleine Weisheiten von sich gibt und generell nach dem Sinn sucht, ganz und gar nicht - ein weiteres Beispiel überflüssiger Bequatschung des Zuschauers, das dem sonst so ansprechenden Film nicht wirklich gut tut. Aber vielleicht auch Teil ist der 1970er-Jahre-"Wir müssen über alles reden"-Kultur, die der Film mit Augenzwinkern feiert.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wir-sind-die-neuen