Die Katze (1971)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Seit über zwanzig Jahren sind sie ein Paar, die einstige Circusartistin Clémence (Simone Signoret) und der pensionierte Buchdrucker Julien (Jean Gabin), die zwar noch zusammen in einem zerfallenden Viertel von Paris leben, die Trennung von Tisch und Bett aber längst im Alltag vollzogen haben. Während Clémence, die ihre Karriere am Trapez damals nach einem Unfall aufgeben musste und seitdem hinkt, offensichtlich insgeheim und wütend um die Aufmerksamkeit und Zuwendung ihres Mannes kämpft, bringt Julien seine Abneigung deutlich durch Ignoranz und betonte Gleichgültigkeit zum Ausdruck. Die häusliche Situation, die durch eine kriegerische Atmosphäre der meist schweigsamen Verachtung geprägt ist, eskaliert schließlich, als Julien sich allzu liebevoll um die Katze Greffier kümmert, die ihm zugelaufen und seiner Frau ein unerträglich schmerzhafter Dorn im Auge ist ...

Nach einem Roman des belgischen Schriftstellers Georges Simenon (1903-1989) hat der französische Filmemacher Pierre Granier-Deferre mit Die Katze das düstere Kammerstück einer erkalteten Ehe inszeniert, das ganz vom intensiven Spiel seiner charismatischen Hauptdarsteller lebt. Simone Signoret und Jean Gabin als gefeierte Urgesteine des französischen Kinos zelebrieren hier auf beeindruckende Weise in späten Rollen ein giftiges Duell der Geschlechter um Abhängigkeit und Hass, für das sie 1971 bei der Berlinale beide mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurden. Das drastische Ende dieser zutiefst zerfahrenen, tragischen Geschichte, innerhalb welcher auch eine temporäre Trennung keine Erleichterung der Verstrickungen schaffen kann, unterstreicht einmal mehr die schwelende Ausweglosigkeit einer Verbindung, die sich nach durchaus glücklichen Zeiten unaufhaltsam verbittert hat.

Die Bilder von Walter Wottitz, der 1963 gemeinsam mit Jean Bourgoin einen Oscar für die Beste Kamera des Kriegsdramas Der längste Tag erhielt und mit Pierre Lhomme Armee im Schatten von Jean-Pierre Melville filmte, verstehen es ganz ausgezeichnet, zuvorderst die wortlosen Szenen des in geradezu genüsslicher Härte gefangenen Ehepaares prägnant zu visualisieren. Hier werden scheinbar belanglose Gesten und minimale Äußerungen der Mimik der Antagonisten derart akribisch fokussiert, dass sie zu einem Moloch an bösartigen Attacken mutieren, die augenscheinlich das einzige – allerdings erstaunlich kräftige – Band beschreiben, was Clémence und Julien zusammenhält. Das ist großartige französische Filmkunst, die fesselt, berührt und schonungslos die großen Fragen hinsichtlich Liebe, Hass und Abhängigkeit aufwirft.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/die-katze-1971