Dracula Untold (2014)

Wie er wurde, was er ist

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Betrachtet man sich Dracula Untold, merkt man schon, dass hier das Chaos regierte. Ganze Subplots wurden entfernt, Figuren ebenso, andere neu ausgerichtet, jede Menge Material verworfen und wochenlang nachgedreht. Das Ergebnis ist ein schlanker 90-Minüter, der unterhaltsamer ist, als man das erwarten durfte.

Fürst Vlad (Luke Evans) verbrachte seine Kindheit bei den Türken, wo er zu einem harten Soldaten gedrillt wurde. Nun herrscht er über Transsilvanien, aber der Sultan Mehmet (Dominic Cooper) fordert von ihm tausend Jünglinge, darunter auch seinen Sohn, für die eigenen Truppen. Vlad widersetzt sich, weswegen er den Zorn des Sultans auf sich zieht. Während Mehmet mit seinen Truppen vorrückt, handelt Vlad verzweifelt. Er sucht einen Vampir auf und erlangt dessen Kraft. Wenn er drei Tage dem Blutdurst widerstehen kann, wird er wieder ein Mensch, aber kann das dem Sohn des Drachen gelingen?

Man merkt dem Film schon an, dass er ein wenig gehetzt wirkt. Ein bisschen fehlt das notwendige Fleisch auf den Knochen, einige Figuren bleiben sträflich untercharakterisiert. Im Besonderen gilt dies für Cooper als schurkenhafter Sultan. Der Mime ist hier verschwendet, er enthält keinerlei Entfaltungsmöglichkeit. Stattdessen gehört der Film ganz und gar Luke Evans, der endgültig beweist, dass er einen Film tragen kann. Und nicht nur das: Er wirkt in einem phantastischen Sujet einfach großartig. Evans bringt die nötige Gravitas mit, den Ernst, der nötig ist, um eine übernatürliche Figur auch größer als das Leben erscheinen zu lassen. Er spielt nicht, er ist eine Präsenz.

Die Idee, Draculas Werdegang zu zeigen, ist nicht übel, die Umstände hätten etwas aufwendiger sein können. Wie es endet, ist natürlich jedem bewusst, der Weg ist hier aber das Ziel. Zwar spielt Dracula Untold dabei hauptsächlich auf einer altbekannten Story-Klaviatur, das aber recht routiniert. Wie schon bei Bram Stoker’s Dracula von Francis Ford Coppola ist es auch hier die Liebe, wegen derer sich Dracula ins Verderben stürzt. Das macht ihn menschlicher, als es viele Inkarnationen dieser Figur vor ihm waren, wobei der innere Kampf darum, seine Menschlichkeit nicht zu verlieren, durchaus noch etwas weiter hätte ausgearbeitet werden können.

Schön ist der Anfang des Films, der kurz die Vorgeschichte anreißt und dabei auf Momentaufnahmen setzt. Das erinnert an die Scherenschnitttechnik-Montage von Coppolas Film, aber natürlich mit gänzlich anderer, moderner Technik. Dieser Anfang bereitet jedoch gefühlsmäßig den Boden für das, was kommt. Man kann sich von dieser phantastischen Geschichte durchaus mitreißen lassen, weil sie zugleich auch einer klassischen Tragödie folgt, steht am Ende doch das größte Opfer, das ein Mensch bringen kann.

Die Actionsequenzen mit dem sich ständig in Fledermäuse verwandelnden Dracula, der sich durch die türkischen Truppen kämpft, ist visuell sehr ansprechend geworden, das Finale bleibt aber unter seinen Möglichkeiten, da der Kampf der beiden Erzfeinde recht unspektakulär daherkommt. Zudem gibt es einen angehängten Epilog, der wohl die Fortsetzung vorbereiten soll, für sich stehend aber wie ein Fremdkörper wirkt.

Alles in allem ist Dracula Untold ein guter Film. Die Schwächen werden von den Stärken mehr als ausgeglichen. Allein, er hätte mehr als das sein können. Und dennoch: Diese Neuinterpretation von Dracula hat ihren Reiz, und das nicht nur für Bewunderer von Bram Stokers Roman.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dracula-untold-2014