Patong Girl

Felix und Fai

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Ein gewöhnlicher Thailand-Urlaub über Weihnachten. Familie Schröder, namentlich Vater Ulrich (Uwe Preuss), Mutter Annegret (Victoria Trauttmannsdorff), die Söhne Tommy (Marcel Glauche) und der etwas jüngere Felix (Max Mauff), macht ihn, um dem kalten Lüneburger Winter zu entkommen. Normal ist auch, dass nicht alles reibungslos funktioniert. Die Reiseleitung bringt die Schröders auf Phuket zunächst im einfacheren "Hotel Alpenrose" unter. Angesichts des rauen Vergnügungsviertels, das fremder wirkt als St. Pauli bei Nacht, könnten es tatsächlich die bayerisch weiß-blaue Deko in der "Alpenrose" sowie die Fototapeten mit süddeutsch-österreichischer Motivik sein, die für heimelige Gefühle der Vertraut- und der Geborgenheit sorgen. Zu Weihnachten gibt es hier Gänsebraten mit Klößen und Rotkohl. Bei 35° C Außentemperatur.
Felix freundet sich schnell mit der etwa gleichaltrigen, schönen Thailänderin Fai (Aisawanya Areyawattana) an. Er verliebt sich in sie und sie sich auch, wie sie versichert, in ihn. Fai macht selbst Urlaub hier am Patong Beach, sie ist zu Besuch bei einer Cousine.

Der gewöhnliche Urlaub beginnt erst dann außergewöhnlich zu werden, als er endet. Felix verhält sich nicht regelkonform und befolgt einen Ratschlag seiner Mutter, den die in dieser Situation gar nicht geben würde. "Man sieht nur mit dem Herzen gut", hat sie ihm mit Antoine de Saint-Exupéry beigebracht, und nun hält er sich auch noch daran. Felix bleibt in Thailand, um bei Fai zu bleiben. Als er nicht am Flughafen erscheint, folgt auch seine Mutter einem Impuls ihres Herzens und bleibt ebenfalls. Mit einem beherzten Sprung aufs Gepäckband holt sie den gepackten Koffer zurück, der wie sie schon auf dem Weg heim nach Deutschland war.

Felix folgt Fai, deren Urlaub nun auch zu Ende ist, bis in ihre Heimat Nong Khai im Norden Thailands. Es wird ein Abenteuer, auch für die Mutter, die ihn sucht. Fai wird eine Liebe sein, die mit dem Urlaub zu Ende geht, ahnt sie, oder, so ihre Befürchtung, sogar eine Prostituierte.

Achtung Spoiler!

Uns Zuschauer irritiert, dass wir Fai in der Anfangssequenz von Patong Girl als ein Thai-Girl kennenlernten, das vorgefertigte deutsche Sätze erlernt, die geeignet sind, um in Kontakt mit deutschen Männern zu treten und ihn langfristig zu halten. Doch es ist alles ganz anders als erwartet. Fai ist keine natürliche Frau, sondern ein Lady-Boy, der/die das primäre körperliche Merkmal seiner Weiblichkeit der Chirurgie verdankt.

Die Darstellerin Aisawanya Areyawattana ist tatsächlich so ein Lady-Boy. Die gesellschaftliche Akzeptanz Transsexueller ist in Thailand höher als bei uns, denn eine Erklärung für ihre Existenz lautet, dass bei der Reinkarnation kein zum Geschlecht der Seele passendes körperliches Gefäß vorhanden gewesen sei. Andererseits werden die Lady-Boys auch nach der Operation zur Frau im Pass weiter als "männlich" geführt. Und anders als der Figur Fai, die einer wohlhabenden und angesehenen Familie entstammt, bleibt vielen nur der Weg in die Prostitution.

Susanna Salonen legt nach Dokumenationen wie Red and Blues (über den Bluesmusiker Louisiana Red) und Der Anfang war gut (über ihre Mutter) auch in ihrem ersten Spielfilm großen Wert auf Authentizität. Sie blickt so genau hin, direkt auf und weit hinter die Kulissen, dass man erahnen kann, Patong Girl würde auch als Doku gut funktionieren. Ein überzeugender Film, in dem es darum geht, Vorurteile zu überwinden und Gemeinsamkeiten dort zu finden, wo man sie zuerst gar nicht vermutet.

Mit den besten Empfehlungen für die nächsten Schwulen Filmtage.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/patong-girl