Der große Demokrator

Bürger, beteiligt euch!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Am Anfang von Der große Demokrator steht eine ehrenwerte Idee – nämlich die, sich zu engagieren und dadurch wiederum andere zu mehr Engagement zu animieren. Der in Köln lebende Filmemacher Rami Hamze möchte die Kräfte der Leute mobilisieren, ohne dabei eine bestimmte politische Agenda zu verfolgen. Es geht ihm einzig um die Aktivierung: also darum, dass die Bürger ihre Energien in etwas einbringen, das ihnen sinnvoll erscheint – und zwar sowohl für sie persönlich als auch für die Allgemeinheit. Als Ort für sein "demokratisches Experiment" hat Hamze den Stadtteil Köln-Kalk auserwählt: ein multikulturelles Viertel, welches einerseits als "sozialer Brennpunkt" gilt, und in welchem andererseits beachtliches Hipness-Potenzial gesehen wird.
Hamze hat Freunde aus der Medienbranche um private Spenden gebeten und so 10.000 Euro gesammelt. Dieses Geld lobt er nun für Bürgerprojekte in Kalk aus. Er richtet einen Raum als Büro und Treffpunkt ein und ruft unter dem Motto "Kalk für Alle" zur Einreichung von Ideen auf: In welche Projekte könnte das zur Verfügung gestellte Geld investiert werden? Nach anfänglicher Skepsis der Leute bilden sich im Bezirk einige Gruppen, die ihre Konzepte vorstellen. So wird etwa der Bau eines Abenteuerspielplatzes oder der Erhalt des von Hamze geschaffenen Raums als Begegnungsstätte und Kulturcafé oder die Gründung einer Leihgemeinschaft vorgeschlagen. In einem demokratischen Prozess soll letztlich entschieden werden, welches Projekt die finanzielle Unterstützung bekommt.

Der große Demokrator ist ein Dokumentarfilm, der in Form und Inhalt gleichermaßen zu überzeugen weiß. Hamzes dynamische Inszenierung, die Erklärungen mit Witz anreichert und in ihren Bildern Einfallsreichtum und Kreativität erkennen lässt, sorgt für Kurzweil – während es gelingt, auf inhaltlicher Ebene Fragen von Belang zu stellen und interessante Beobachtungen zu machen. So muss der Regisseur und Initiator des Experiments beispielsweise feststellen, dass es ihm trotz redlicher Bemühungen doch nicht möglich ist, den gesamten Stadtteil zu erreichen: In erster Linie sind es die Bildungsbürger der Mittelschicht, die seinem Aufruf folgen und ihre Ideen äußern. Die finale Entscheidung über die Vergabe des Geldes verläuft schließlich weniger harmonisch als erhofft – wobei die erregte Diskussion spannend eingefangen wird.

Kritisieren ließe sich, dass an manchen Stellen von Der große Demokrator Lücken gelassen wurden – denn an diesen Stellen wäre etwas mehr Ausführlichkeit womöglich durchaus reizvoll gewesen. Mit welchen Argumenten hat Hamze z.B. das Spendengeld gesammelt? Wie lange hat es gedauert, bis er den Betrag von 10.000 Euro zusammengetragen hatte – und welche Erfahrungen hat er dabei gemacht? Überdies wird zu Beginn des Werks ein netter Praktikant eingeführt, der dann jedoch kaum noch zu sehen ist. Welche Aufgaben kamen ihm im Einzelnen zu – und mit welcher näheren Motivation ist er in die Sache involviert? Den zahlreichen anderen Themen und Protagonisten widmet sich Hamze indes sehr gründlich – in Off-Kommentaren, Einzelinterviews, Zwie- und Gruppengesprächen wird differenziert und erhellend über Idealismus, Einsatz, (mangelnde) Integration, Lebensqualität, Gentrifizierung und mehr gesprochen. Auf diese Weise ist ein Film entstanden, der unterhaltsam und intelligent, wichtig und aktuell ist. Bravo!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-grosse-demokrator