Remedy

Macht und Unterwerfung

Eine Filmkritik von Falk Straub

Eine Frau, die einem Wechselspiel aus dominanten und devoten Sexualpraktiken verfällt – seit ihrem Welterfolg muss man bei dieser Konstellation zwangsläufig an E.L. James' Romantrilogie Fifty Shades of Grey denken. Drei Wochen vor deren Hochglanzverfilmung kommt mit Remedy eine deutlich dreckigere Variation des Themas in die Kinos.
Ein unbedachter Satz setzt alles in Gang. Als ein Freund einer jungen Frau (Kira Davies) die Eignung zur Domina abspricht, nimmt sie seine Aussage als Herausforderung. Privat war sie bereits in der New Yorker Fetisch- und SM-Szene unterwegs, nun macht sie ihr Hobby zum Beruf. Unter dem Namen "Remedy" heuert sie in einem Etablissement für BDSM an. Schnell stellt sie fest, dass sich in der devoten Rolle mehr Geld verdienen lässt als in der dominanten. Damit kommen jedoch auch die Probleme. Denn Remedys private Neigungen gehen lange nicht so weit, wie die Wünsche ihrer Kunden. Und so stößt die junge Frau an ihre Grenzen.

Thematisch mag Remedy an Fifty Shades of Grey erinnern, inhaltlich und ästhetisch könnte Cheyenne Picardos Debütfilm jedoch nicht weiter von der Großproduktion entfernt sein. Remedys gleichnamige Protagonistin bewegt sich weder in den Sphären eines neureichen Milliardärs noch in Hochglanzbildern durch den Film. Regisseurin und Drehbuchautorin Picardo wählt einen groben Digitallook, der in erster Linie dem geringen Budget geschuldet sein dürfte. E.L. James' Weltbestseller hat Picardo laut eigener Aussage nicht gelesen. Stattdessen ließ sie in Remedy ihre eigenen Erfahrungen einfließen, die sie während ihres Studiums bei ihrer Arbeit in einem BDSM-Club gesammmelt hat. So sind alle Kunden im Film von echten inspiriert – vom Mann, der sich unter örtlicher Betäubung gern an den Zähnen herumspielen lässt, bis zum berühmten Schauspieler, der mit Remedy seine Vergewaltigungsfantasien auslebt. Das ist manchmal urkomisch, manchmal erschreckend.

Während Picardo bei der Wahl des Filmmaterials aus der Not des Budgets noch eine Tugend macht, gilt das nicht für den Rest des Films. So können die Digitalbilder mit viel Wohlwollen noch als gesteigerter Realismus durchgehen, der die BDSM-Szene ungeschminkt zeigt. Was den Ton, das Drehbuch und vor allem das Schauspiel angeht, erreicht Remedy jedoch nicht einmal Mittelmaß. So klingen die Dialoge immer wieder blechern und werfen den Zuschauer eher aus der Fiktion, anstatt ihn tiefer ins Geschehen zu ziehen. Die ausführliche Darstellung der Wünsche und Begierden von Remedys Kunden ist deutlich zu lang geraten in einem Film, dessen Handlung sich in beinahe zwei Stunden nicht entwickelt. Als ihre stärksten Einflüsse hat Picardo die Arbeiten David Cronenbergs und Mike Leighs genannt. Von Leigh hat sie die Improvisation übernommen. Gerade diese ist jedoch Remedys größte Schwäche. Obwohl drei der weiblichen Hauptdarsteller eine Schauspielausbildung besitzen, wirkt ihre Darstellung zu laienhaft und dadurch mehr als einmal unfreiwillig komisch.

Mehr als ein ambitionierter Independentfilm für Fans der BDSM-Szene ist Remedy nicht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/remedy