Pedal The World - 18.000 km, 22 Länder, 365 Tage

Auf zwei Rädern um die halbe Welt

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es gibt sie noch, die hidden champions in den Kinos, die ohne Support eines großen Filmverleihs und ohne bekannte Namen ein erstaunlich großes Publikum erreichen. Der Dokumentarfilm Pedal the World - 18.000 km, 22 Länder, 365 Tage von Felix Starck ist so ein Fall: 135.000 Zuschauer wollten bislang den Film über eine Weltumrundung auf zwei Rädern und mit dem Flugzeug mittlerweile sehen. Hinzu kommen die Verkäufe der DVDs und direct downloads über die Website zum Film. Mit dem Erfolg kamen aber auch die Kritiker, die die Kommerzialisierung der Reise ebenso bemängelten wie die Reiseroute, bei der die Flugstrecken die wirklich auf dem Zweirad zurückgelegten Strecken übertrafen.
Pedal the World einen Dokumentarfilm zu nennen, beschreibt das Werk nicht wirklich zutreffend. Vielmehr ist der mit sichtlich kleinem Budget gedrehte Bericht eine Art sehr persönlich gehaltenes bewegtes Reisetagebuch und ein filmisches Äquivalent zu den Diavorträgen, die früher durch die Mehrzweckhallen der Provinz tingelten und mit denen sich die Globetrotter der 1980er Jahre den nächsten Trip nach Neuseeland, Feuerland oder an andere entlegene Enden der Weltkarte finanzierten. Bei denen erfuhr man in der Regel allerdings mehr über die verschiedenen Länder und Kulturen als bei Pedal the World, in denen die einzelnen Stationen der Reise recht fix und kaum je in die Tiefe gehend behandelt werden.

Von den recht knapp abgehandelten Vorbereitungen auf die Reise, bei der Felix Starck anfangs von Fynn, einem Freund, begleitet wird, geht es (häufig mit Zeitraffer, schmissiger Musik und etwas banal wirkenden Kommentaren mit starker Dialekteinfärbung) direkt auf die ersten Kilometer, die nach Österreich, die Slowakei und Ungarn führen. Die ursprüngliche Route nach Russland muss prompt umgeschmissen werden, da die beiden Pedaleure kein Visum bekommen – aber Improvisation gehört bei einer Fahrt ins Ungewisse dazu. Dann, recht schnell, irgendwo in Osteuropa, kommt es zum Zerwürfnis zwischen Felix und Fynn, der nach Hause zurückkehrt. Man habe, so heißt es recht lakonisch, unterschiedliche Vorstellungen von der Reise gehabt – mehr erfährt man nicht über die Trennung on the road.

Später kommen und gehen neue Reisegenossen, was man vor allem an den Perspektivwechseln der Kamera merkt. Zuerst reist der Vater von Felix eine Weile mit ihm, dann ein Freund, später in Südostasien bei einem längeren Stopp kommt eine Freundin für eine Weile hinzu. Zwischendrin kommt es immer wieder zu Heimwehattacken, als Felix' geliebter Opa stirbt, ringt er mit sich, ob er die Reise nicht abbrechen soll. Trotz solcher einschneidenden Ereignisse gerät die eingangs gestellte Frage nach dem Sinn des Lebens, die als eine Art Motto über dem Film stehen soll, recht schnell ins Hintertreffen – sie kommt de facto im weiteren Verlauf der Reise kaum mehr vor. Und genau das ist auch der Knackpunkt bei Pedal the World: Es fehlt auf Dauer eine distanzierte Perspektive, die mehr als nur persönliche Impressionen und eigene Befindlichkeiten thematisiert und die damit für Zuschauer, die nicht zum Freundes- und Bekanntenkreis von Felix Starck gehören, von größerem Interesse sein könnte.

Insofern ist vielleicht das das eigentliche Wunder an Pedal the World: Dass ein solcher Film aus der rein subjektiven Sicht eines 24 Jahre alten Mannes aus Herxheim in der Pfalz ein derart gewaltiges Publikum anzusprechen vermag. Vielleicht sind das ja die ersten Auswirkungen der Welle an Youtube-Stars, die nun auch über Umwege auf die große Kinoleinwand gelangen. Das Zeug zu einem Entertainer im Paralleluniversum Youtube hätte Felix Starck dank seiner Authentizität und seines Selbstbewusstseins jedenfalls. Zumal seine Reise an ein Gefühl appelliert, das viele Zuschauer ebenfalls manchmal in sich verspüren dürften: die Freiheit, einfach mal ein Jahr lang ohne Verpflichtungen in der Welt unterwegs sein zu können, ist eine jener kleinen Fluchten, von denen so mancher Arbeitnehmer träumt.

Und noch etwas fällt auf an Pedal the World: Der bescheidene Erfolg könnte durchaus den Weg frei machen für ähnlich geartete Werke, die eher unter das Label alternative content fallen. Ob das allerdings eine gute Nachricht für die bedrohte Spezies Kino ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/pedal-the-world-18-000-km-22-laender-365-tage