The Perfect Guy

Lobbying für Afroamerikaner

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Möglicherweise hat der alte Adorno recht: Es mag kein richtiges Leben im falschen geben. Aber Filme können für ein besseres werben, selbst wenn sie schlecht gemacht sind. The Perfect Guy gehört dazu. Der Stalker-Thriller nach Schema F entfaltet verblüffend konsequent eine Integrations-Utopie.
Karrierefrau Leah (Sanaah Lathan) macht mit ihrem Freund Dave (Morris Chestnut) Schluss, weil der mit ihr keine Kinder haben will. Sie geht eine eine Liebesbeziehung mit dem IT-Sicherheitsberater Carter (Michael Ealy) ein. Bis zu dem Abend an der Tankstelle. Als ein Angestellter darum bittet, Carters Mustang fotografieren zu dürfen, prügelt Carter ohne Anlass wutschnaubend und wie ein Irrsinniger auf ihn ein. Nur ein Warnschuss aus der Pistole des Tankstellenbesitzers und die Drohung mit der Polizei veranlassen ihn zur Weiterfahrt.

Leah gibt Carter daraufhin den Laufpass. Aber der lässt sich nicht abschütteln. "Wenn ich Dich nicht haben kann, soll dich keiner haben", schreibt er ihr. Ein Gerichtsbeschluss soll ihn auf Distanz halten. Carter bricht in Leahs Wohnung ein, verwanzt sie, hackt das Notebook, zerstört Leahs Berufsleben. Die Polizei ist machtlos. Und auch Dave kann ihr nicht helfen. Auf sich gestellt, wird Leah von der Gejagten zur Jägerin.

In The Perfect Guy passiert nichts, was nicht anderswo zum Thema des obsessiven Eindringlings in das Leben einer Frau schon zu sehen war – und besser. Wahrscheinlich unfreiwillig hält das Drehbuch von Tyger Williams Dialogzeilen als Fallen der Selbstparodie für die Darsteller bereit. Zudem nimmt Peter Simonites Kamera Sanaa Lathan chronisch unvorteilhaft auf. Mit den Augenlidern plinkernd und vielsagend die Brauen hebend, ruiniert Michael Ealy als Romeo-Karikatur die romantischen Szenen. Die spannenden zerstört er durch eine verkrampfte Hassmiene. Der miserable Schnitt besorgt den Rest.

Aber einen Clou von The Perfect Guy gibt es doch – mit welcher Selbstverständlichkeit afroamerikanische Schauspieler ein Genre erobern, das lange in der weißen Mittelschicht angesiedelt war. Von Birth of A Nation über Farah Fawcett in Extremities ist die bedrohte Frau klassischerweise weiß, angelsächsisch, protestantisch und blond. Letztes Jahr brach Keine gute Tat damit und spielte bereits in der afroamerikanischen Mittelklasse. Aber in The Perfect Guy gehören dieser Schicht Opfer und Täter an.

Alle Servicekräfte im Film sind mit Weißen besetzt. Im Alltag wie auf Chefetagen und luxuriösen Partys mischen sich Schwarz und Weiß und gehen respektvoll miteinander um. So entsteht ein höchst erstrebenswerter, ‚farbenblinder‘ Gegenentwurf zur rassistischen Realität. Die taucht zwar in Carters Vorgeschichte andeutungsweise auf. Davon unberührt steht aber Leahs Lobbyisten-Job symbolisch für den ganzen Film: Interessenvertretung für die Gleichstellung der Afroamerikaner durch cineastisches fait accompli. Wusste das US-Publikum dies zu würdigen? Mehr als 50 Millionen Dollar spielte die Low-Budget-Produktion des unbekannten Regisseurs David M. Rosenthal ein.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-perfect-guy