Happy Hour

Echte Freunde

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

"Ich hätt' die Alte einfach vermöbelt!" HC wurde von seiner Frau betrogen und verlassen, jetzt versuchen ihn seine Kumpels Wolfgang und Nic zu trösten. Und noch bevor der Vorspann aus ist, befinden sich die drei in Irland, in Wolfgangs Cottage, eine Auszeit, ein Selbstfindungstrip, ein paar Tage unter Freunden, ohne Weiber, die einem das Leben verleiden.
Franz Müller macht das gerne: Seine Figuren wie seine Schauspieler in eine herausfordernde Situation stecken, wo dann aus der Improvisation, aus der Dynamik des Zusammenseins, aus dem Mit- und Gegeneinander der Film wird. Sein Debüt Kein Science Fiction von 2003 ließ Jan Henrik Stahlberg und Arved Birnbaum in einem bizarren Paralleluniversum herumwurschteln (dies ohnehin einer der besten deutschen Filme der letzten 20, 25 Jahre); letztes Jahr in Worst Case Scenario ging er von seiner eigenen Situation aus, dass ein Filmprojekt in Polen nicht zustande gekommen ist - und ließ seine Darsteller auf einem Campingplatz in Polen darüber improvisieren, dass ihr Filmprojekt nicht zustande kam. Jetzt in Happy Hour - Müllers vierter Spielfilm - also drei Freunde in Irland, eine soziale Versuchsanordnung, in der zwischen Selbstmitleid und Trost, One-Night-Stand und Romanze, bestem Kumpel-Spaß und tiefem Frust, himmelhoch betrübt und zu Tode jauchzend alles drin steckt. Ein Film, der das Männliche an Freundschaften und die Notwendigkeit von Frauen im Leben des Mannes erforscht. Und der natürlich eine Komödie ist, bei allem Leid, das den Protagonisten widerfahren ist.

Eine Komödie, die sozusagen den Gegenpol der Matthias-Schweighöfer-Späße ist, die sich ja ebenfalls mit den Fragen des Mannes im Zusammenhang mit dem Prinzip Frau auseinandersetzen: Müller setzt nicht auf den Gag, sondern auf die Charaktere, er setzt nicht auf die Konzeption von Situationen, sondern lässt das Geschehen sich ergeben; er wird deshalb, leiderleider, auch kein Millionenpublikum erreichen, weil Film als Projekt, wie Müller es versteht, weit weniger Zuschauerappeal hat als Schweighöfers Konzeption von Film als vorgefertigtem Produkt.

HC, Wolfgang und Nic sind in Klausur. Und dort erleben sie sich selbst und ihre Freunde in Reinform. Schon seit der Schulzeit kennen sie sich, doch hier lernen sie sich erst richtig kennen, ungeschönt und herzlich. Dass sie aneinander geraten, ist klar; dass sie an sich selbst und den anderen wachsen, auch. Und dass die drei so unterschiedlich sind und doch als Freunde durchs Leben gehen, ist schön für sie und für den Zuschauer erst recht eine Freude.

Wolfgang ist der Rudelführer, ihm gehört das Cottage im irländischen Nirgendwo, er zeigt, wo's langgeht. Holzlöffel nicht in die Spülmaschine! Nicht mit Schuhen auf den Teppich! Und abends in den Pub! Nic lächelt still vor sich hin - immer ein bisschen larifari, ein bisschen unverbindlich - und er ist der, der den Schlag bei den Frauen hat; und der hinterher nicht mehr wirklich vernünftig Konversation betreiben kann mit seinen Dates. Glas Bier im Gesicht kann da schon mal passieren. Und HC? Wegen dem sie alle hier sind? Er ist der Zurückhaltende. Mit ihm kann man alles machen. Weshalb ihm seine Frau ja auch jahrelang Hörner aufgesetzt hat. Ihn gilt es, hier zu stählen. Sag mal Nein! Schlag mal zurück! Lass dir nicht alles gefallen!

Diese drei Männer eng beieinander - das macht Spaß, zuzusehen. Weil man die Macken kennenlernt; weil man sieht, wie peinlich, wie daneben da einiges ist, wie sich die Dynamik zwischen Freundschaft und Streit und Missverständnisse entwickelt. Weil man mitten drin dabei ist und dabei von außen zugucken kann. Wenn dann nämlich eine kleine Frauengeschichte mitspielt - im Pub haben die drei ein paar willige Damen kennengelernt -, dann kommen die drei Freunde recht bald zum Eigentlichen, zum Wesentlichen, dazu, was das Leben ausmacht. Und natürlich stimmen sie darin nicht überein.

Was hier nur noch hilft, ist, als Beweis der Freundschaft gemeinsam nackt Holz zu hacken. Und weiterhin füreinander da zu sein, auch wenn der Alltag mit den Frauen und den Kindern und all sowas sie wieder hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/happy-hour