Rettet Raffi!

Ein Hamster auf Wanderschaft

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Hamster Raffi verhält sich eines Morgens nicht wie gewohnt, und der schnell aufgesuchte Tierarzt stellt fest: Die Hauptschlagader, die Aorta des Tieres, weist eine Fehlbildung auf. Es wird operiert, Raffi soll sich eigentlich schonen, stattdessen wird es jedoch erst recht aufregend. Der frisch aus dem Gefängnis entlassene Straftäter Rocky stiehlt das Auto mitsamt Hamster. Rockys Freundin nimmt den Nager in ihre Obhut. Das arme Tier wird aber noch eine Regenrinne hinabgleiten und von einer Katze gejagt werden, unfreiwillig im Hafenbecken schwimmen und wird schließlich aufs Neue gefangen, um verloren gegangene Schmuggelzigaretten zu erschnüffeln.
Dabei ist die Geschichte vom Hamster auf unfreiwilliger Wanderschaft natürlich nur das, was alles andere antreibt: Der kleine Sammy (Nicolaus von der Recke), sein Besitzer, macht sich auf die Suche nach dem Tier und vermisst außerdem den Vater, der sich eine "Auszeit" von der Familie genommen hat und derzeit in Afghanistan ist. Und am Ende versammeln sich alle in einer Fernsehshow, in der mehrere Hamster bestimmte Aufgaben durchführen... Sie merken schon, die Handlung von Rettet Raffi! wird ziemlich schnell ein wenig kompliziert.

Regisseur Arend Agthe ist vor allem für seinen Kinderfilmklassiker Flussfahrt mit Huhn von 1983 bekannt; er hat von dem Film vor kurzem eine neue Fassung geschnitten, kürzer und schneller, wie er im Interview betont: "Der Film war ursprünglich viel elegischer. Wir haben mehr Tempo hineingebracht. Denn die Kinder heute haben eine andere Wahrnehmung als früher, sie sind schnellere Schnitte gewöhnt."

Diese Haltung – ob sie berechtigt ist oder nur ein populärer Mythos, sei einmal dahingestellt – ist in Rettet Raffi! mehr als deutlich. Es passiert viel und in hoher Schlagfolge, aber man hat zwischendurch das Gefühl, als habe Agthe möglichst viel aus der Romanvorlage (einem Kinderkrimi, den Agthe selbst gemeinsam mit seiner Frau Bettina Kupfer verfasst hat) übernehmen wollen, ohne darauf zu achten, ob das auch im Film nötig oder sinnvoll ist.

Das Problem daran ist, dass zum Beispiel die ganze Geschichte um die Operation zu Beginn dann sehr schnell obsolet wird und offenbar nur noch dazu dient, Raffi qua seiner Narbe erkennbar zu machen. Dass er sich eigentlich schonen muss, spielt keine Rolle mehr, stattdessen schwimmt und klettert und flüchtet das Tier. Wenn Sie glauben, Kindern seien solche Inkonsistenzen egal, sollten Sie mal erleben, wie mein gerade schulpflichtiger Nachwuchs die Logiklöcher in allen möglichen Filmen demontiert.

Leider fängt auch der menschliche Cast die Schwächen der Story nicht durch überzeugendes Spiel auf; die Kinder wirken eher hilflos, während die Erwachsenen – die es zum Teil wirklich besser können – teilweise so platt und eindimensional agieren, dass ich mich im Boulevardtheater wähnte. Allenfalls Albert Kitzl und Autorin Kupfer als Rocky und dessen Freundin Miranda bringen noch etwas wie Spielfreude hinein.

Auf dem Kinderfilmfest in München wurde Rettet Raffi! dennoch mit dem Publikumspreis der jungen Zuschauer belohnt. Der Film ist ja nicht ohne Spannung und Meriten, seine stärksten Momente hat er allerdings dann, wenn er konzentriert und mit ein wenig Ruhe mal allein dem Hamster folgt. Im Wechselspiel zwischen dem Hamster und der verfolgenden Katze, wenn Raffi dem Abgrund entgegenblickt oder einer Herausforderung, dann entwickelt der Film fast meditative Qualitäten. Wann immer Menschen ins Spiel kommen, wird es laut und ungeduldig. Vielleicht hätten ein paar Schnitte weniger es also auch getan.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/rettet-raffi