Der serbische Anwalt - Verteidige das Unfassbare!

Wie kann man den Wahnsinn des Kriegs nur je verstehen?

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Immer wieder kommt die Frage: "Halten Sie ihn für unschuldig?". Er, das ist Radovan Karadzic, der im UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag vor Gericht steht. Er war einer der Drahtzieher der Balkankriege rund um das zerfallende Jugoslawien. Der Mann, dem die Frage gestellt wird, ist Marco Sladojevic, ein Serbe, der aus seiner Heimat floh und Asyl in den Niederlanden suchte. Dort studierte er Jura und vertritt nun Karadzic vor Gericht.
Der serbische Anwalt – Verteidige das Unfassbare ist vor allem die Geschichte dieses Mannes, aber auch die Geschichte darüber, dass man trotz bester Aktenlage vieles einfach nicht weiß. Und was man weiß, muss man nicht zwangsläufig verstehen können. Deshalb weicht Sladojevic der Frage aus. Die Aktenlage scheint seinem Mandanten Recht zu geben, aber mit je mehr Zeugen er spricht, je mehr Beweisstücke er sieht, desto unsicherer wird er. Nicht in Hinblick auf die Unschuldsfrage seines Mandaten, sondern ob sich die Wahrheit wirklich je herauskristallisieren wird.

Der Film nähert sich Sladojevic nicht nur über seine Arbeit, sondern auch über sein Umfeld. Seine Frau ist Slowenin, mit ihrer Familie, aber auch mit Freunden diskutiert der junge Anwalt immer wieder. Mitunter erscheint er hilflos, weil er nicht in Worte fassen kann, was unverständlich bleiben muss. Das ist auch die Krux eines solchen Tribunals. Der Wunsch, Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen, ist mehr als verständlich; sie zu überführen, ist jedoch die große Herausforderung. Das zeigt sich in der Szene sehr deutlich, in der eine von Karadzics Reden genutzt wird, um zu demonstrieren, dass er Bosnien mit Krieg drohte, sollte das Volk für die Abspaltung stimmen. Sladojevic setzt das in Relation. Er erklärt, wie die Rede weiterging. Sie hatte einen anderen Tenor und wirkte fast prophetisch, hatte man am Ende doch einen ähnlichen Status Quo wie den, den Verhandlungen ergeben hätten – nur dass dazwischen ein Krieg mit zigtausenden Opfern stattfand.

Sladojevic versucht, sich in das Reich der kalten Logik zurückzuziehen. Man merkt ihm an, dass er seine Emotionen herunterspielen will, und doch zugeben muss, dass die Beschäftigung mit einer solchen Thematik, in der es immer um die Grausamkeit des Tötens geht, eben nicht nur eine juristische Frage ist. So sehr man es sich in einer idealen Welt vielleicht auch wünschen würde, ist völlige Objektivität nicht existent. Am Ende bleibt ein ratloser, den Fall auch als persönliche Karriere-Chance begreifender Jurist, dem es trotz des totalen Überblicks nicht anders ergeht als dem Laien auf der Straße: Er versteht nicht, wie das alles passieren konnte.

Da Der serbische Anwalt – Verteidige das Unfassbare aus Sicht der Verteidigung erzählt ist, ist er im Grunde ideal, um zusammen mit Der Chefankläger – Am Internationalen Gerichtshof gesehen zu werden, damit man ein Verständnis für beide Seiten erlangt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-serbische-anwalt-verteidige-das-unfassbare