Toilet Stories

Ganz und gar nicht stille Örtchen

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Fünf Geschichten, die auf Toiletten stattfinden. Diese Grundidee des unabhängig (d.h. mit Crowdfunding und ohne staatliche Förderung) produzierten deutschen Films Toilet Stories klingt erst einmal durchaus originell – birgt aber auch eine Fallhöhe: Zu schnell könnte der Ort Anlass für bemühte Skurrilität oder billige Fäkalwitze sein. Doch dieser Gefahr weicht der Film souverän aus, indem er den Ort als den Ort nimmt, der er ist: Rückzugsmöglichkeit, Notwendigkeit und unfreiwilliger Treffpunkt.
Und so erzählen Sören Hüper und Christian Prettin von der Schwimmerin Loni, die gerade ihr Training absolviert hat und vom Arzt erfährt, dass eine Dopingkontrolleurin auf dem Weg ist; einem Baumarkt-Angestellten, der in seiner Mittagspause in Ruhe Zeitung lesen will und unfreiwillig ein Geständnis seines Kabinennachbarn entgegennehmen muss; einem älteren Herren, der von zwei Jugendlichen zusammengeschlagen wird und sich furchtbar rächt; einer älteren Dame, die ihrem Mann mit einer Sitzplatzerhöhung das Heim ersparen will; und einer sozialen Aufsteigerin, die auf der Toilette auf eine Bekannte trifft.

Diese Geschichten hängen nicht miteinander zusammen und überschneiden sich lediglich am Ende, indem sich die Wege der Figuren teilweise kreuzen. Stattdessen gibt es fünf verschiedene Toilettenräume, zwischen denen der Film kontinuierlich wechselt. Jeder Handlungsstrang steuert auf diese Weise gemächlich seinem Höhepunkt zu, dessen Ausgestaltung nicht immer vorherzusehen ist. Dabei unterscheiden sich die Geschichten sowohl in Qualität als auch Originalität: Besonders gelungen in der reduzierten Inszenierung und Spielweise ist die Geschichte der Schwimmerin Loni (die optisch an Schwimmweltmeisterin Britta Steffen erinnert), die einem positiven Dopingtest entgehen will. Sportlerin, Trainerin und Arzt sprechen hier aus, was kein Funktionär oder Dopingermittler hören will: Es dopen alle, ohne Stimulation werden keine Medaillen gewonnen und es geht eigentlich nur darum, dass man nicht erwischt wird. Also werden Einläufe durch- und Fremdurin eingeführt, als wäre es ein lästiges Ritual, das regelmäßig fällig ist. Dabei verzichten Hüper und Prettin auf billige Pointen. Das Skurrile entsteht gerade durch die Selbstverständlichkeit in der Inszenierung. Dadurch erscheint es am Ende dann sogar fast gerecht, dass Loni für diese Mühen mit einem Erfolg belohnt wird.

Im Gegensatz dazu erweist sich die Episode mit den Jugendlichen und dem älteren Herren abgesehen von dem Einstieg als wenig überraschend und originell. Hier wird zu sehr auf plumpen Ekel und eine alte Criminal Minds-Grundidee gesetzt. Ebenso wie in dem Zusammentreffen eines Toilettenvertreters mit einer älteren Dame stimmt das Timing nicht immer, sind die einzelnen Abschnitte der Geschichte gerade am Anfang zu lang.

Dieses Problem deutet sich bereits am Anfang an: Toilet Stories beginnt mit der Vorstellung aller Figuren. Sie sind kurz im Bild zu sehen, eine Texttafel erwähnt ihren Namen und deutet an, was passieren könnte. Diese Einführung dauert knappe fünf Minuten und nutzt sich ab der siebten Person ab, so dass es lediglich ein Überdauern ist, ehe die Handlung losgeht. Hier wäre es origineller gewesen, wenn sich dieser Einstieg auch im Erzähltempo widergespiegelt hätte, indem jede Geschichte ebenso kurz angerissen wird wie die Personen vorgestellt wurden. Vielleicht hätte man sogar auf Texttafeln zurückgegriffen. Aber so bleibt vor allem die bemüht-fröhliche Musik in Erinnerung – und immerhin wird dieses Vorspiel am Ende wieder aufgegriffen, an dem sich die Personen an ähnlichen Orten befinden.

Im Gegensatz zu dem argentinischen Wild Tales, in dem aus Alltagssituationen großartige komische Rachegeschichten werden, bleibt Toilet Stories zu statisch. Schon die Kamera verweilt viel an einem Punkt und konzentriert sich auf einzelne Schauspieler, die oftmals ungelenk agieren. Und erweist sich dann unter anderem Dorkas Kiefer als gute Besetzung in der Rolle der hübschen Aufsteigerin, leidet ihre Episode an der Vorhersehbarkeit der Geschichte. Diesem Film fehlt insgesamt das Tempo und der Witz – und deshalb bleiben am Ende von Toilet Stories nur der Handlungsort und die Doping-Episode in Erinnerung.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/toilet-stories