Girl You Know It's True (2023)

Schweighöfers Hitparade

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Die älteren werden sich erinnern: Ende der 80er Jahre stiegen Rob Pilatus und Fab Morvan als Milli Vanilli in unglaublicher Geschwindigkeit in den Pop-Olymp auf. Knapp zwei Jahre hielt sich das Duo, das bald für ein ausschweifendes Leben bekannt war, in den Charts. Bis dem Produzenten und Songschreiber Frank Farian wegen zunehmender Disziplinlosigkeit der beiden der Kragen platzte und er auf einer Pressekonferenz klarstellte, dass Fab und Rob lediglich als Tänzer engagiert wurden, aber keine Note selbst gesungen hatten. Die Geschichte endete tragisch. Die Branche reagierte harsch, die Fans auch. Grammys wurden zurückgegeben und Rob versank bald in einem Sumpf aus Drogen und Alkohol, der schließlich 1998 mit nur 33 Jahren zu seinem Tod führte. Regisseur Simon Verhoeven hat diese wahre Story nun für eine satirische Komödie genutzt und nimmt dabei nicht nur die Musikbranche aufs Korn.

Bereits 2007 wurde das Projekt erstmals angekündigt, doch es dauerte 16 Jahre, bis der Film endlich realisiert wurde. Darin legt Verhoeven, der auch das Drehbuch verfasste, sein Augenmerk vor allem auf die Posse, mit der die Welt vorgeführt wurde und weniger auf die Personen dahinter. Zwar erzählt der Film auch die Vorgeschichte von Pilatus und Morvan, ohne dabei wirklich in die Tiefe zu gehen, aber alle anderen Charaktere in Girl You Know It’s True bleiben weitgehend Stichwortgeber und wandelnde Klischees.

Dass das aber dem Spaß keinen Abbruch tun muss, beweist vor allem Matthias Schweighöfer als Frank Farian. Der Schauspieler zeichnet den Produzenten als cleveren, aber provinziellen Macher, der mit seinem Sparzwang und seinen cholerischen Anfällen nicht nur Lebensgefährtin Ingrid (Bella Dayne) auf die Palme bringt, sondern auch immer wieder bei den Bossen der Plattenfirma aneckt.

Schweighöfer ist hier auch das Comedy-Gold, denn obwohl er als Farian gar nicht so häufig im Film zu sehen ist, bleiben vor allem seine Szenen im Gedächtnis. Voller Inbrunst flucht, schreit und pöbelt sich Schweighöfer durch den Film und sorgt dabei für die meisten Lacher. Aber auch Tijan Nije als Rob und Elan Ben Ali als Fab liefern eine überzeugende Vorstellung ab.

Als tanzende Einfaltspinsel, die zwar nicht wirklich betrügerisch agierten, ihre eigene Moralvorstellung aber durch die Verlockungen der Musikbranche schnell als sehr dehnbar entdeckten, sind beide, so satirisch erhöht ihre Darstellung auch ist, doch zu Herzen gehend. Weil es den Schauspielern gelingt, den durch das Drehbuch nur recht grob gezeichneten Charakteren Seele zu verleihen.

Das ist zu einem guten Teil auch Verhoevens Verdienst, der seine Satire zwar stets treffend, aber nur selten wirklich bösartig inszeniert. Der Film macht sich zwar verdientermaßen über Doppelmoral und Gier in der Musikbranche lustig, wird dabei aber nicht verletzend oder zynisch. Und er lässt wenig Zweifel daran, dass auch Rob und Fab letztlich eher Opfer als Täter waren.

Ganz ohne Schwächen ist Verhoevens Film dennoch nicht, denn nicht immer trifft er den Ton sauber. So lässt er Rob und Fab die ganze Geschichte erzählen, während die beiden gemeinsam auf dem Sofa sitzen. Dass einer von beiden nicht mehr lebt, spart er dabei aus oder löst es mit einem lapidaren Schulterzucken auf. Das gilt auch fürs Finale. Den tragischen Teil der Story klemmt Verhoeven kurzerhand an, erzählt Robs Drogentod als eine Art Appendix, der in dieser Kürze und Harmlosigkeit allerdings kaum Emotionen auslöst.

Natürlich ist eine satirische Komödie nicht unbedingt der perfekte Ort für eine genaue Aufarbeitung einer Tragödie. Aber ein wenig mehr Anteilnahme und Nähe zum offensichtlichsten Opfer der Milli Vanilli-Affäre wäre doch schön gewesen. Abgesehen davon gelingt Simon Verhoeven allerdings eine überaus unterhaltsame Aufarbeitung des damaligen Skandals, die gerade durch ihre Leichtigkeit Gewicht bekommt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/girl-you-know-its-true-2023