Riverbanks

Hoffnungen und Ängste

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Man könnte ihn als den Film zur Krise bezeichnen. Riverbanks erzählt von Flüchtlingen, vom Traum von einem besseren Leben, von den Gefahren der Reise, aber auch von jenen Menschen, die bereits dort sind, die immer schon dort waren. Verlorene Seelen in einem verlorenen Land.
Panos Karkanevatos' Film ist mehr als nur ein gefälliger Beitrag zum aktuellen Geschehen, er erzählt unaufgeregt, vignettenhaft von Leben, nicht von Geschichten. Es sind eher Momentaufnahmen, die hier dominieren.

Der Grenzfluss Evros trennt die Türkei von Griechenland. Der Traum vom besseren Leben, dem viele Flüchtlinge nachhängen, endet oftmals hier. Ertrunken im Fluss, gesprengt von den zurückgelassenen Minen der 1970er Jahre oder verloren im griechischen Hinterland. Irgendwo im nirgendwo. Dort befinden sich auch die Protagonisten dieser Geschichte. Der Soldat Yannis hat sich freiwillig zur Minenräumung gemeldet. Er hat ein besonderes Talent, Minen aufzuspüren. Chryssa ist eine Schleuserin, die Kinder über den Fluss bringt. Gerade jetzt ist ihr eines ertrunken und das andere weggelaufen. Yannis' und Chryssas Wege überschneiden sich. Zwei verlorene Seelen treffen aufeinander und schöpfen wieder Hoffnung.

Es ist kein einfacher Film, den Karkanevatos hier dem Publikum vorsetzt. Er erwartet, dass der Zuschauer mitdenkt. Häufig deutet er nur an, lässt Bilder aus, die sich dann im Kopf des Zuschauers zusammensetzen. Immer wieder fordert er den Rezipienten, die fehlenden Stücke zu konstruieren. Und das nicht nur in Hinblick auf die beiden Hauptfiguren. Denn Karkanevatos erzählt mehr als nur die Geschichte zweier Menschen.

Er erzählt auch von einem Drogenschmuggler, der in das Schleusen verstrickt wird. Von einem kurdischen Jungen, der sich allein durch Griechenland durchschlägt. Von Familien, die getrennt werden. Und von Menschen, die Kindern ein neues Zuhause bieten. Es ist ein wildes Potpourri, das Karkanevatos hier bietet. Er komprimiert extrem, reichert Riverbanks damit aber auch mit einer Vielzahl von Geschichten an. Man erhascht häufig nur kurze Einblicke in diese Leben. Das ist flüchtig, aber es imitiert das wahre Leben, in dem wir auf Menschen treffen, die unseren Weg mal länger, mal kürzer streifen.

Riverbanks ist nicht der Film zur Flüchtlingskrise. Er ist so viel mehr. Karkanevatos packt alles rein. Er spielt mit den Mechanismen des Thrillers ebenso wie mit denen des Dramas, er erzählt von Hoffnungen und Ängsten und schafft es dabei, diese den Zuschauer spüren zu lassen. Das ist umso wirkungsvoller. Vielleicht auch, weil der Film so unaufgeregt ist, aber eben dadurch so elegant verdeutlichen kann, wie der Gemütszustand jener ist, die flüchten, und jener, die schon immer da waren, aber in nicht minder prekären Situationen leben. Was für einen Flüchtling aus dem Nahen Osten wie das Paradies anmuten mag, ist für einen Griechen die Tristesse einer hoffnungslosen Existenz.

So funktioniert Riverbanks auf mehrerlei Art, befasst sich mit der Flüchtlingsproblematik, aber – das sogar noch subtiler – mit der Lage Griechenlands selbst. Er erzählt von großen Hoffnungen, die am Ende alle enttäuscht werden. Das alles verbindende Element ist die Liebe. Und auch wenn sie nicht gegen jeden Schicksalsschlag gefeit ist, so vergeht sie doch nie. Sie währt ewig.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/riverbanks