Heart of a Dog

Geschichten ohne Kino

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Laurie Anderson ist eine herausragende Künstlerin. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie auch eine herausragende Filmemacherin ist. In ihrem nach ihrem Konzertfilm Home of the Brave aus dem Jahr 1986 zweiten Film wird das leider sehr deutlich: Heart of a Dog, der zunächst als Kurzfilm für arte konzipiert wurde und sich dann mit einer Länge von 75 Minuten auf internationalen Festivals widerfand, steckt voller persönlicher Überlegungen, die im Zusammenspiel mit den Bildern in einem großen Nichts verpuffen.
Das ist insbesondere deshalb zu bedauern, weil Anderson eigentlich von sehr ernsten und persönlichen Themen spricht und ihre im Voice-over erklingenden Gedanken dazu bisweilen aufrichtig und vielschichtig sind. Zentral für Andersons essayistische und assoziative Gedankenströme ist ihr verstorbener Hund Lolabelle. Anderson hatte ihrem Haustier trotz dessen Erblindung noch allerhand Tricks und Kunstfertigkeiten antrainiert und so wird Lolabelle zum emotionalen Kern von Heart of a Dog. Der Film oszilliert beständig zwischen Gefühlen des Verlusts und der Trauer, die sich auf den Tod der Mutter und anderer naher Menschen ausweitet (wobei ihr Ehemann Lou Reed nur subtil und durch das Lied Turning Time Around eine Rolle spielt), und einer erdrückenden Wärme und Niedlichkeit, die einem kleinen Mädchen gleich die Welt über die treuen Augen eines Hundes aufklärt.

Dabei spielt die Art und Weise der Erinnerung eine ähnliche Rolle wie die Erinnerung selbst. Aber Anderson kommt immer wieder zu sehr abgedroschenen und uninspirierten Folgerungen, die letztlich ungewollt wie ein hilfloser Versuch des Trosts wirken. Dem Voice-over könnte man zudem deutlich mehr abgewinnen, wenn er nicht in einer derartigen Wärme und Sicherheit gesprochen würde. Es klingt als würde Anderson die Geschichten einem kleinen Kind vor dem Einschlafen erzählen. Dabei stößt Anderson auf Verbindungen zwischen Liebe und Tod, die man letztlich schon hunderte Male besser erzählt bekommen hat.

So mischen sich buddhistische Überlegungen mit Allerweltsfloskeln und es ist sicherlich eine Qualität von Anderson, dass sie trotzdem hier und da etwas Anhaltendes und Wahres zu sagen hat. Dennoch ist der Voice-over sogar die bessere Hälfte des Films, denn die Bilder, die die fantastisch angehauchten und mit Marmelade überzogenen Worte begleiten, sind zum Teil derart willkürlich animiert, dass sie weder als Visualisierung noch als eigenständige Kraft herhalten können. Zugegeben gilt das nicht für alle Bilder, denn insbesondere gegen Ende des Films gibt es wie aus dem Nichts ein paar wunderschöne 8mm-Bilder, die sich gleichzeitig auflösen und in Schönheit erstrahlen. Anderson verwendet gemischtes Material. Man sieht Filmaufnahmen, Handybilder, Go-Pro-Aufnahmen, Drohnenflüge und Animationen. Diese unterschiedlichen Stile helfen der Filmemacherin hier und da, ihren hauseigenen magischen Realismus mit der Realität zu verknüpfen, aber prinzipiell sind sie Selbstzweck. Für sich haben diese Bilder keine Funktion. Auch bemerkt man keine wirkliche Freude am Experiment. Einzig in manchen Doppelbelichtungen entsteht hier und da eine Idee oder eine Emotion.

Immer wieder kommt Anderson zurück auf das Erzählen selbst. Warum erzählt man? Wie erzählt man? Im Fall von Heart of a Dog ist zumindest erstere Frage zu leicht zu erkennen. Es ist ein angestrengtes und anstrengendes Bemühen um Leichtigkeit und Liebe in Zeiten des Schmerzes. Gegen dieses Bestreben ist sicherlich nichts einzuwenden und manch Zuseher mag zusammen mit Anderson hier den gesuchten Trost finden oder besser: gemeinsam mit ihr verstehen und lernen. Aber das ist weder eine Rechtfertigung für diesen Film noch eine tatsächliche Erzählung.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/heart-of-a-dog