Rehragout-Rendezvous (2023)

Des hod scho was

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Neun Filme in zehn Jahren, jeder Kinostart erfolgreicher als der vorherige, eine ständig wachsende Fan-Schar und der Mythos, dass man dieser Reihe verfalle, sobald man sich mal an eine erste Sichtung traut: Die Eberhofer-Krimis sind ein deutsches Kinophänomen, und eines mit hoher Beständigkeit. Mit „Rehragout-Rendezvous“ ist nun der neunte Ableger erschienen, der allerdings von einer mittelgroßen Kontroverse begleitet wird.

Irgendwann gibt’s immer ein erstes Mal. Auch für den Autor dieses Textes, der – das sei, wenn auch nicht üblich, als Disclaimer hier deutlich vorausgeschickt – bisher keine Berührungspunkte mit den Eberhofer-Filmen hatte. Außer dass er bei Kinobesuchen in den vergangenen Jahren immer wieder zum Schauen der Trailer des neuesten Teils gezwungen war und deshalb über die Zeit sogar eine gewisse Antipathie zu ihnen aufbaute: So ein Schmarrn soll so erfolgreich sein? Und doch zeigt sich, wie schnell die Vorurteile fallen, wenn man einmal die direkte Konfrontation wagt.

Eine Bewertung unter dieser Prämisse ermöglicht einerseits zwar nicht, auf die großen Veränderungen im komplexen Charaktergefilde einzugehen, langjährige Tendenzen in der Reihe zu bewerten oder gar Vergleiche zum Buch zu ziehen – erlaubt andererseits jedoch eine Antwort auf die Frage, ob man es dem Autor gleichtun, über seinen Schatten springen und sich mal ins Kino trauen sollte. Die erfolgt sogleich: Ja, sollte man, am besten ebenfalls in einem vollbesetzten, sektschwangeren Kinosaal, der dann so laut und ausgiebig feixt wie seit Der Schuh des Manitu nicht mehr. Und sei es nur, um die Faszination dieser Reihe zu verstehen.

Die speist sich wenig bis kaum aus dem Krimiplot, in dem es diesmal einen gut situierten Hofbesitzer erwischt. Dessen in hunderte Stücke zerteilter Körper wird auf einem Feld gefunden (Potzblitz, mal wieder ein Mord in Niederkaltenkirchen!), die folgenden Ermittlungen ziehen eine Schneise durch ein schrulliges bis skurriles Figuren-Ensemble, von der gealterten Dorf-Feministin über den rotnasigen, weil alkoholabhängigen Landwirt, dem das Tatort-Feld gehört, bis zum an Ernie aus Stromberg erinnernden Sohn des Toten.

Parallel dazu hat Dorf-Polizist Eberhofer (Sebastian Bezzel) mit privaten Problemen zu kämpfen. Die Oma (Enzi Fuchs) streikt, weshalb im Familienanwesen bald pures Chaos herrscht: Der Weihnachtsbaum bleibt einfach mal neun Monate stehen, und mit (sehr gepflegt aussehenden) Mäusen ziehen neue Bewohner ein. Die Susi (dem Eberhofer seine Frau, gespielt von Lisa Maria Potthoff) wird derweil zur Stellvertreterin des im Ausland verunfallten Bürgermeisters ernannt, verfällt dem Rausch der Macht und müht sich um eine große PR-Aktion, die Niederkaltenkirchen wieder touristisch attraktiv machen soll. Dass seine Gattin nun aber plötzlich seine Vorgesetzte ist, erschüttert den Eberhofer im Tiefsten seiner Männlichkeit: Sein bestes Stück versagt in erotischen Angelegenheit, also schleppen ihn seine Kneipenkumpels zum Männlichkeitstraining in den Wald. 

Insbesondere diese Sequenz stieß bei der Autorin der Romanvorlage, Rita Falk, auf Kritik, das Drehbuch bezeichnete sie als „unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär“, distanzierte sich vom Film und ließ zunächst offen, ob es mit ihrer Zusammenarbeit mit Constantin Film weitergeht. (Die Produktionsfirma besitzt allerdings noch die Rechte für zwei bislang unverfilmte Bücher, es wird mit ziemlicher Sicherheit also erstmal weitergehen.) Auch dass der Täter ein anderer als im Buch ist, sorgte bei ihr für Missfallen. Allerdings: Die Auflösung des Krimiplots ist bei Rehragout-Rendezvous zwar völlig vorhersehbar, aber auch insgesamt ziemlich nebensächlich.

Die Klischees werden währenddessen angenehm frech und in allen Richtungen aufs Korn genommen. Das gilt für die „Bedrohung“ durch die langsam einziehende Moderne (KI, Feminismus, das Ende des Patriarchats) ebenso wie für die Rückständigkeit des Eberhofer und seiner Baggage, die am Ende ihrer „Männlichkeitsfindung“ als ziemliche Deppen dastehen. Ernst genommen wird hier nichts – lediglich eine ehrlich emotionale Szene mit Oma Eberhofer bricht mit der Dauer-Kalauerei des Skripts.

Genau darin liegt dann auch der Charme dieses Films – und wohl auch der Reihe an sich. Niemand ist hier sicher vor dummen Sprüchen (nicht einmal die Angehörigen der Opfer) und der Bloßstellung in absurden Situationen. Stereotype werden mit größtmöglicher Ambition zelebriert und überspannt, das bekannte Figuren-Ensemble und die bewusst schlichte TV-Optik verleihen der Sache etwas ganz und gar Heimeliges. Und sogar auf einem CSU-Parteitag wird mehr Hochdeutsch gesprochen als hier. Selbst wenn das hier der erste Kinobesuch in Niederkaltenkirchen sein sollte: Am Ende fühlt man sich aller anfänglichen Skepsis zum Trotz wie ein Teil der Dorfgemeinschaft. Kurzum: Des hod scho was.

P.S.: Kurz nach der Sichtung von Rehragout-Rendezvous folgten beim Autor noch die von Kaiserschmarrndrama und Guglhupfgeschwader. Scheint also was dran zu sein am anfangs erwähnten Mythos...

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/rehragout-rendezvous-2023