Verrückt nach Figaro (2020)

Die Oper ruft

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Auf der Bühne legt eine Opernsängerin all ihre Emotionen in eine Arie – und Millie Cantwell (Danielle MacDonald) lässt sich als Zuschauerin völlig mitreißen, sieht sich gar selbst dort oben im Scheinwerferlicht auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Ihr Freund Charlie (Shazad Latif) schläft derweil vor Langeweile an ihrer Schulter ein.

Millie ist fast 30, lebt als Amerikanerin in London und arbeitet an der Seite von Charlie, der auch ihr Vorgesetzter ist, als Fondsmanagerin. Als ihr eine Beförderung angeboten wird, lehnt sie allerdings ab. Denn sie hat den Entschluss gefasst, ihrem Traum zu folgen und selbst Opernsängerin zu werden. Um an einem landesweiten Talentwettbewerb teilzunehmen, dessen Gewinn ein Bühnen-Engagement ist, will sie Gesangsunterricht nehmen – und landet bei der Ex-Operndiva Meghan Geoffrey-Bishop (Joanna Lumley) in einer kleinen Gemeinde in den schottischen Highlands.

Das Zimmer im Dorfpub Filthy Pig bei dem ruppigen Gastgeber Ramsay (Gary Lewis) ist wenig komfortabel. Obendrein empfindet der junge Koch Max Thistlewaite (Hugh Skinner) Millie als unwillkommene Konkurrenz, da er als bis dato einziger Schüler von Meghan ebenfalls bei besagtem Wettstreit auf den Sieg hofft. Meghan schlägt ein Duett der beiden vor – und sorgt so dafür, dass Millie und Max sich allmählich näherkommen.

Der australische Regisseur Ben Lewin und sein Co-Autor Allen Palmer schildern in Verrückt nach Figaro eine klassische Fish-out-of-Water-Story, gepaart mit Elementen einer romantischen Komödie. Die 1991 geborene Hauptdarstellerin Danielle MacDonald, die wie Lewin aus Australien stammt, hat insbesondere in dem dynamischen Jugenddrama Patti Cake$ – Queen of Rap (2017) ihr Charisma bewiesen. Auch hier zeigt sie Ausstrahlung, kann aber letztlich nicht überspielen, dass die von ihr verkörperte Figur nicht wirklich einnehmend ist.

Wir erfahren kaum etwas über Millies Hintergründe. Ihr Wunsch, Opernsängerin zu werden, bleibt eher eine Behauptung. Warum sie zuvor eine wirtschaftliche Karriere einschlug, wird nicht erläutert. Wichtig scheint nur zu sein, dass sie dadurch sehr viel Geld hat und so das Privileg besitzt, allem den Rücken zu kehren und der Verwirklichung ihres Traums ohne jegliche existenzielle Sorgen nachzugehen. Eine Fallhöhe gibt es nicht – weshalb es schwerfällt, bei Millies Entwicklung mitzufiebern und diesem überaus elitären Weg etwas abzugewinnen.

Dass Verrückt nach Figaro dennoch unterhaltsam ist, liegt vor allem an zwei anderen Beteiligten. Zum einen ist der von Hugh Skinner gespielte Max deutlich facettenreicher gezeichnet. Er hat bereits diverse Niederlagen erlebt und ist emotional verschlossen. Interessant ist zum anderen Max’ ungewöhnliche Beziehung zur exzentrischen Gesangslehrerin Meghan. Joanna Lumley, Jahrgang 1946, bekannt aus der galligen britischen Comedy-Serie Absolutely Fabulous, trotzt dieser recht stereotypen Rolle etliche schöne Details ab und macht Meghan damit zur reizvollsten Figur des Films.

Der Plot verläuft in vorhersehbaren Bahnen. Amüsant ist indes die Darstellung des schottischen Dorfes mit der rustikalen Gaststätte als Zentrum des örtlichen Soziallebens. Während die Romanze und der Gesangswettbewerb wenig Überraschendes bereitzuhalten vermögen, bereitet es Spaß, den Gemeindemitgliedern bei der Beobachtung des Geschehens zuzuschauen und Meghans sarkastischen Kommentaren beizuwohnen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/verrueckt-nach-figaro-2020