Rückkehr nach Korsika (2023)

Rückkehr in die Fremde

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Fast hätte es der Film nicht in den Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes geschafft: Gerüchte wurden im Vorfeld laut, dass sich die Regisseurin Catherine Corsini eines Machtmissbrauchs während des Drehs von „Le retour“ schuldig gemacht hätte. Das Festival hatte den Film schon programmiert, dann kurzzeitig die Einladung auf Eis gelegt und sich schließlich doch für ihn entschieden. 

Anders als Corsinis Vorgängerfilm In den besten Händen, der 2021 ebenfalls im Wettbewerb in Cannes lief und damals zu den stärksten Beiträgen gehörte, fühlt sich Le retour verkrampfter, in seiner politischen Aussage bemühter an. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen drei Frauen, eine Mutter (Aïssatou Diallo Sagna) mit ihren beiden heranwachsenden Töchtern Jessica (Suzy Bemba) und Farah (Esther Gohourou). Nach fünfzehn Jahren Abwesenheit kehren sie nach Korsika zurück. Die Rückkehr an diesen Ort, an dem sie die schönsten wie tragischsten Momente ihres Lebens erlebt hat, ist für Kheididja nicht einfach. Hier hatte die Mutter Kheididja, schwarzafrikanischer Abstammung, einst einen Einheimischen geheiratet. Seit seinem Tod, für den sie offenbar verantwortlich gemacht wird, wie man im Laufe des Films nach und nach erfährt, war sie mit den noch jungen Kindern nach Marseille gezogen.

Während sich Tochter Jessica, eine Musterschülerin, sehr für die Heimat ihres Vaters interessiert, wehrt Farah, konstant auf Krawall gebürstet, alles ab. Das Gleichgewicht der Kleinfamilie wird zusätzlich durcheinandergebracht, als sich Jessica in die Tochter (Lomane de Dietrich) des weißen Oberschichtpaares verliebt, für das Khedidija als Kindermädchen arbeitet. Die Konflikte sind also auf verschiedenen Ebenen vorhanden. Zum einen geht es um die Unsicherheiten der jungen Frauen in ihrem Prozess des Erwachsenwerdens. Dazu kommt die Suche nach ihren Wurzeln, wovon ihnen ihre Mutter Teile vorenthalten hat. Beide Mädchen machen gleichzeitig ihre ersten sexuellen und amourösen Erfahrungen, die zusätzlich den Ausnahmezustand verschärfen.

Die Mutter hingegen hat ihr eigenes Trauma zu überwinden. In ihrer Figur sammeln sich Schuldgefühle, tiefe Trauer, die sie mit niemandem teilen kann, und die Sehnsucht nach familiärem Anschluss. Und als wäre das nicht bereits genug, schwebt über all dem noch ein Kommentar über Rassismus und sozialer Benachteiligung. Durch diese Fülle an Motiven auf engstem Raum wird dieses Drama, das sich einer versöhnlichen Schlussnote nicht entsagen kann, überfrachtet. Keines der angesprochenen Themen kommen richtig zur Geltung.

Formal nutzt der Film eine recht nervöse Handkameraästhetik, die viele Nahaufnahmen erzeugt und den Figuren aufsitzt, ohne ihnen, und damit auch dem Zuschauer, die zum Teil notwendige Distanz für Reflexion zu ermöglichen. Diese Hektik kontrastiert mit dem Alltag auf der Insel, auf der sich die Sommergäste ausruhen und treiben lassen. Anderseits soll sie vermutlich die innere Unruhe der Figuren unterstreichen. Das wirkt allerdings arg aufgesetzt. Schade, dass Corsini nicht den Mut hatte, den Ausdruck auf den Gesichtern ihrer Darsteller und Darstellerinnen zu vertrauen. Das hätte sie insbesondere bei Aïssatou Diallo Sagna, die die Mutter spielt, tun können. Auch die junge Esther Gohourou als Farah bleibt einem in Erinnerung.

So ist Le retour an sich ein solider Film, mit einem zu fahrigen Drehbuch, das viele interessante Motive anspielt, aber nicht einprägsam ausarbeitet. Filme übers Erwachsenwerden, über das Gefühl von Heimat und die Bedeutung von Familie hat es bisher bedeutendere, auch weniger voraussehbare gegeben. Noch etwas exotisch wirkt die Verortung der Handlung auf Korsika, das mit seiner kargen Landschaft auf eine Wüstenregion erinnert, und an sich nur selten im französischen Kino filmisch verwendet wird.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/rueckkehr-nach-korsika-2023