Wo ist Ida (2023)

Eine anachronistische Illustration von Reiseberichten

Eine Filmkritik von Bianca Jasmina Rauch

Petra Zöpnek bedient sich für ihre Reiseerzählung „Wo ist Ida” der Aufzeichnungen der Wienerin Ida Pfeiffer, die 1842 zunächst über den Fluss- und Seeweg bis nach Jerusalem und Ägypten gelangte und dann in mehreren Etappen die ganze Welt zu bereisen begann. Textpassagen kommen aus dem Off, während die Kamera in Schwarzweiß-Aufnahmen eine Ida-Figur begleitet,  die ihrer Zeit entsprechend kostümiert ist, jedoch durch unsere gegenwärtige Welt schreitet. Texttafeln und collagenartige Animationen komplettieren das filmische Bild der Reisebewegungen der alleinstehenden Frau. Auf komplexere Kommentare und Kontextualisierungen der historischen Figur und ihrer Beobachtungen verzichtet Zöpnek. 

Brasilien, China, Tahiti, Indien, Madagaskar, Südafrika, Borneo - die Liste der Orte, die die verwitwete Ida Pfeiffer besuchte ist lang. Ihr eurozentrischer Blick war dabei zwar geprägt von der Neuheit und wahrgenommenen Exotik der von ihr besuchten Orte und Kulturen. Sie positionierte sich aber auch klar gegen die Sklaverei, und der oftmalige Vorteil, als weiße, privilegierte Frau wohlwollend empfangen zu werden, schien ihr bewusst zu sein. Unter anderem beschreibt sie, wie sie sich als erste Weiße zu den „Menschenfressern“ auf Sumatra begab oder was sie über die Sexualität 8-jähriger Mädchen auf Tahiti erfuhr. Ausgerechnet diese Passage über das Sexleben der jugendlichen Inselbewohnerinnen hat Zöpnek ausgewählt und mit Aufnahmen tanzender Frauen im Bastrock bebildert. Hier scheint sich in der Inszenierung eine Doppelung von Idas exotisierendem und ihrem faszinierten Blick zu vollziehen. Als alleinreisende Frau, Schriftstellerin und Naturforscherin kommt Pfeiffer innerhalb der Wiener Gesellschaft zweifelsohne Pionierstatus zu. Doch wie kann man heute auf ihre reichhaltige Biografie und ihre zahlreichen Erfahrungsberichte, 13 Bücher an der Zahl, blicken, ohne in die gleichen eurozentristischen Fallen zu tappen? Mit diesen Fragen setzt sich Wo ist Ida leider nicht auseinander.

Der Schwerpunkt scheint vielmehr auf einer fragmentarischen Bebilderung von Pfeiffers Reisebewegungen zu liegen. Der Großteil der Inszenierung besteht nur aus Szenenschnipseln von Erlebnissen, die Ida durchschreitet. Darstellerin Susanne Berger flaniert durch das gegenwärtige Wien, befindet sich in Quarantäne in Griechenland, wird auf die Azoren begleitet, die als Schauplatz für diverse der Orte aus ihren Berichten dienen oder besucht eine Insektenhändlerin, einen Tierpräparator und ihren Verleger. Die Darsteller*innen agieren hier jeweils ohne Worte, was in Kombination mit den Vignettierungen der Schwarzweiß-Aufnahmen und den Texttafeln stilistisch an den frühen Stummfilm erinnert. Folgendes Element kehrt in Variation immer wieder: Eine ihrer im Laufe der - im Film chronologisch erzählten - Zeit erscheinenden Publikationen steht in einem Schaufenster, umgeben von später erschienenen Büchern. Wo ist Ida spielt bewusst mit Anachronismen, die unsere ästhetischen Sehgewohnheiten mitunter auf die Probe stellen können.

Petra Zöpnek, die bisher vor allem als Editorin tätig war (z.B. Glory to the Queen oder Dieser Film ist ein Geschenk) präsentiert mit Wo ist Ida einen Film, für den sie nun in den Bereichen Regie, Drehbuch und Produktion zugleich verantwortlich zeichnet. Mit der Neuauflage von Büchern der Ida Pfeiffer wirkt ihre Interpretation mit am wiederauflebenden Interesse für die Wiener Schriftstellerin. Darin zeigt sich die Faszination für eine historische Person, die selbst fasziniert von der Welt war.

Auf die Welt von damals können wir nur durch Aufzeichnungen blicken. Welche wir davon heranziehen, um uns ein Bild zu machen, obliegt der Entscheidung von Künstler*innen, Historiker*innen und uns selbst. Pfeiffers Schaffen wirkt in der Forschung bis heute fort: etwa durch Bezeichnungen von Tier- und Pflanzenarten, die ihren Namen tragen – die Garnelen palaemon idae, die Nacktschnecke myronides pfeifferae oder der Grasfrosch rana idea. Ihre Präparate sind teilweise bis heute in Museen zu sehen und finanzierten ihr zu Lebzeiten auch die Reisetätigkeit. Wo Ida ist? Sie war und ist wohl vielerorts, wenn man nur nach ihr Ausschau hält.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wo-ist-ida-2023