Bikes vs Cars

Krieg auf den Straßen, Frieden in den Städten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Es ist ein unübersehbarer und hoffentlich auch unumkehrbarer Trend: In den letzten Jahren ist das Fahrrad dabei, sich seinen Platz im innerstädtischen Verkehr zurückzuerobern. Doch dieser Wandel geht keinesfalls leise vonstatten, sondern nimmt derzeit manchmal Züge eines Bürgerkriegs um das Recht auf Mobilität und Vorfahrt an. Man beschimpft sich gegenseitig, nennt sich "Kampfradler" oder "Autorüpel" und versucht, sich möglichst wenig oder möglichst viel in die Quere zu kommen, um zu zeigen, wer der Stärkere ist. Zwar nimmt sich auch der Titel Bikes vs Cars zunächst eher martialisch aus, doch dieser erste Eindruck täuscht. Vielmehr sieht Fredrik Gerttens Film die weltweite Fahrrad-Bewegung als einen der möglichen Auswege aus dem drohenden Verkehrskollaps und der sich abzeichnenden Klimakatastrophe an. Bis dahin aber ist es noch ein weiter Weg, der viele Maßnahmen nötig machen und so manches menschliche Opfer fordern wird.
Davon kann die Studentin und Radaktivistin Aline Cavalcante aus São Paolo in Brasilien ein Lied singen. Als sie in die Millionenmetropole kam, hatte sie eigentlich vorgehabt, den Weg zur Uni mit dem Auto zurückzulegen, doch der mörderische Verkehr hielt sie davon ab. Zugleich bemerkte sie, wie gut ihr die regelmäßige Bewegung auf dem Rad tat, so dass für sie seitdem kein Zweifel mehr besteht, wie sie in Zukunft die Wege durch den urbanen Dschungel bewältigen wird. Allerdings kennt sie auch die Gefahren des Radfahrens in Städten wie São Paolo: Eine Freundin von ihr wurde von einem Bus überfahren und kam dabei ums Leben. Für Aline wie für viele andere Radaktivisten ist dies zwar auch ein tragischer persönlicher Verlust, vielmehr aber stehen Todesopfer wie diese für Sünden der Stadt- und Verkehrsplanung weltweit, die sich vor allem auf die Bedürfnisse der Autofahrer, nicht aber der anderen Verkehrsteilnehmer ausrichtet. Insofern ist der Krieg "Bikes vs Cars" in erster Linie ein strukturelles Problem, das von Lobbyisten mit geschaffen wurde.

Im Gegensatz zu etlichen anderen Filmemacher mit einem Anliegen trägt Fredrik Gerrten seine Botschaft nicht mit dem Holzhammer vor, sondern argumentiert behutsam und abwägend; Provokationen im Stile eines Michael Moore sind seine Sache nicht. Im Reigen der Experten, die in Bikes vs Cars zu Wort kommen, sind nicht nur Aktivisten und Stadtplaner zu finden, sondern auch Politiker und Vertreter der Automobilindustrie, deren Bedürfnissen der Film gleichermaßen ihren Platz einräumt. Dennoch besteht kein Zweifel, auf wessen Seite die Sympathien des Filmemachers angesiedelt sind.

Bei allem gesellschaftlichen und ökologischen Engagement hat Fredrik Gertten aber auch die ästhetische Seite der Filmgestaltung nicht vergessen. Seine Bilder von nächtlichen Radfahrten durch den städtischen Raum vermitteln Größe und Zugehörigkeit, die dunkeln Farben, die sorgsame Ausleuchtung, das Gefühl für Bildkomposition, Rhythmus, Wirkung der eingesetzten Musik und die clever inszenierten Interviewpassagen sorgen dafür, dass Bikes vs Cars nicht nur ein wichtiges Anliegen vorträgt, sondern dies zugleich auf ästhetisch ansprechende Weise tut. Bei allen Argumenten nämlich kommt es auch auf die Art der Vermittlung von Botschaften an – und geht es allein danach, dann sollte dieser Film die Anhängerschaft der zweirädrigen Fortbewegung mittels eigener Muskelkraft weiter ansteigen lassen.

Schade nur, dass dieser Film in Deutschland lediglich in wenigen Kinos starten wird. Vielleicht aber besitzt aber auch er das, was den Radaktivisten und jedem Hobby- wie Rennradler gleichermaßen zu wünschen ist – einen langen Atem und viel Ausdauer.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/bikes-vs-cars