Feminism WTF (2023)

Patriarchat - wann kann das endlich weg?

Eine Filmkritik von Bianca Jasmina Rauch

In ihrem ersten Dokumentarfilm widmet sich die österreichische Regisseurin Katharina Mückstein, die sich in der Branche schon lange für Gleichbehandlungsfragen stark macht, ganz den Anliegen und Forderungen (queer-)feministischer Bewegungen. Der Feminismus im Singular existiert nicht, und "Feminism WTF" thematisiert entsprechend die historische und gegenwärtige Vielfalt von feminisims. In Gesprächen geben Expert:innen Einblicke in Geschichte und Aktualität von Kämpfen gegen Unterdrückung und dem Hineinwirken von Bias, also (unbewussten) Vorurteilen und vorgefertigten Meinungen in unseren Alltag. Mückstein ergänzt Interviewpassagen mit Nikita Dhawan, Persson Perry Baumgartinger oder Laura Wiesböck in stilisierten, farbverkleideten Räumen mit performativen Szenerien, in denen Tänzer:innen binäre Geschlechtergrenzen in elektronischen, fließenden Klängen von Tony Renaissance verschwimmen lassen.

"Warum ist Feminismus so ein Reizthema?", fragt Mückstein zu Beginn aus dem Off. Für die Politikwissenschaftlerin Nikita Dhawan eine klare Sache: In normativen Geschlechterrollen glauben Menschen eine vermeintliche Stabilität und Geborgenheit zu finden - und Feminist:innen? Sie wollen genau diese gesellschaftliche Ordnung stören. Die Frauenbewegung, wie sie früher zumeist mit eher einseitigem Blick genannt wurde, versucht seit jeher gegen rechtliche Benachteiligungen und gegen Gewalt an Frauen anzukämpfen. Seit den Suffragetten mag sich einiges getan haben, doch wie zäh sich der Emanzipationskampf für die Rechte von FLINTA*-Personen gestaltet, das geht auch aus den Antworten zur Frage der Filmemacherin nach den Zukunftsaussichten hervor. Gleichberechtigung? Werden wir das noch erleben? Die Nachwirkung von kolonialer Gewalt in fortdauernden rassistischen Strukturen und deren Aufrechterhaltung durch Gatekeeper:innen, die anhaltende einseitige Übernahme von Care-Arbeit durch Frauen, das Fortwirken toxischer Männlichkeiten und das fehlende Engagement von Männern im Feminismus sind nur einige Aspekte, die die Expert:innen in Feminism WTF thematisieren.

Doch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch einiges getan. Trotz ihrer stetigen Notwendigkeit zeigt sich die feministische Bewegung bereits als eine der erfolgreichsten Bewegungen unserer Zeit, wie eine der Textinserts erwähnt, von denen einige zwischen Performance und Gesprächssituationen eingefügt werden. Ein andere Texttafel lässt uns über Privilegien reflektieren, eine weitere liefert Statistiken zu häuslicher Gewalt, und auch die Kulturwissenschaftlierin bell hooks wird zitiert. Mückstein leistet mit ihrem Film wertvolle Vermittlungsarbeit. Durch das Zusammenbringen verschiedener Personen rollt sie einen Diskurs auf, der aufgrund seiner Komplexität oftmals Berührungsängste hervorruft.

Das Wissen und die Schwerpunkte diverser Expert:innen ergeben einen Einblick in die Vielgestaltigkeit feministischer Ansätze. Zehn Sprecher:innen aus dem Bereich der Sozial-, Sprach- und Naturwissenschaften sowie eine Sozialpädagogin befragt Mückstein, die selbst auch ab und zu aus dem Off zu hören ist. Die Multiperspektivität findet sich auch auf der stilistischen Ebene durch die aufeinander abgestimmte Farbwahl der Kleidungen und Raumdesigns der jeweiligen Gesprächssituationen wieder. Alle Szenen scheinen in nur einem Gebäude aufgenommen worden zu sehen. Die grauen Zimmer mit Teppichböden legen den Verdacht nahe, es handelte sich um ein aufgelassenes Büroareal. Auf symbolischer Ebene könnte das triste Ambiente, in dem die farbenfroh gekleideten Expert:innen Platz nehmen, den Einzug einer gerechten, bunteren und liberaleren Welt in das triste, abgewohnte, einseitige Patriarchat bedeuten.

Feminism WTF räumt im wahrsten Sinne des Wortes auch auf: und zwar mit Mythen, wonach etwa soziales Geschlechterverhalten auf biologischen Dispositionen basiert. Denn diese Annahmen fußen genauso wie eine biologische Binarität von Geschlechtern auf keinerlei wissenschaftlicher Nachweisbarkeit. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, so die Biologin Sigrid Schmitz. Allen Aspekten, die der Film thematisiert, scheint außerdem die Frage von Macht und Privileg zugrunde zu liegen: Wer bestimmt im weiß dominierten Patriarchat über die dominierenden Verhältnisse und Normen, und wem kommen sie zugute? Wer wird dadurch benachteiligt, wer hält daran fest? Und wie kommen wir endlich aus dieser „WTF“-Sache namens Patriarchat raus, wenn sich nicht genug Verbündete gemeinsam engagieren?

Feminism WTF hüllt uns nicht als beschönigender Motivationsfilm in Zuversicht und Wohlwollen, sondern lässt uns (wieder) erfahren, dass zum Beispiel Maßnahmen, die gegen geschlechtsbasierte Gewalt und Ungleichheit wirken sollen, stets in Gefahr sind, durch Rückschritte ersetzt zu werden. Der Backlash erstarkt stetig. Ein Film wie Feminism WTF kann helfen, sich einen Überblick über Diskurse zu verschaffen und einen Startpunkt liefern, um selbst tiefer einzutauchen. Gerade die Personen, die Mückstein vor die Kamera bringt, sind auch jene, deren Stimmen im öffentlichen Diskurs mehr Lautstärke erhalten sollten. Zu hoffen bleibt, dass der Film ein Publikum erreichen kann, das sich mit den Diskursen noch am wenigsten auseinandergesetzt hat. Durch Gespräche nach und mit dem Film kann das Kino aber in jedem Fall zum Begegnungsort werden und vielleicht auch Menschen dazu motivieren, sich zusammenzufinden, um entschlossen für eine gerechtere Welt zu kämpfen. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/feminism-wtf-2023