Die Rumba-Therapie (2022)

Lächeln, bitte!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Typus des grumpy old man wurde im US-Kino insbesondere von Jack Lemmon und Walter Matthau (als sogenanntes „verrücktes Paar“ in zwei gemeinsamen Alterswerken) sowie von Jack Nicholson (etwa in „Besser geht’s nicht“) und Bill Murray (unter anderem in „Broken Flowers“) perfektioniert. Ebenso grummelt es häufig in skandinavischen Filmen wie „Ein Mann namens Ove“. Der französische Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler Franck Dubosc (Jahrgang 1963) präsentiert nun in seiner Tragikomödie „Die Rumba-Therapie“ einen Vertreter aus der Grande Nation.

Der Mittfünfziger Tony, verkörpert von Dubosc selbst, ist Busfahrer im Pariser Umland. Wenn im Fernsehen Gefühle zu sehen sind, schaltet er lieber rasch auf Schießereien um. Den Schulkindern bringt er englische Schimpfworte bei – ansonsten meidet er Menschen weitgehend. Als er einen Herzinfarkt erleidet, wird dem Kettenraucher jedoch klar, dass er in seiner verbleibenden Zeit auf dem Planeten noch etwas Sinnvolles tun sollte. Sein Arzt (Michel Houellebecq) rät ihm zu sportlicher Aktivität, Tony möchte indes vor allem Kontakt zu seiner erwachsenen Tochter Maria (Louna Espinosa) herstellen, deren Mutter er einst noch vor Marias Geburt verließ.

Da die junge Frau als Tanzlehrerin in Paris arbeitet, überredet er seine alleinerziehende Nachbarin Fanny (Marie-Philomène Nga), mit ihm zusammen Marias Rumba-Kurs zu besuchen. Dieser erweist sich allerdings als durchaus anspruchsvoll – weshalb sich Tony ordentlich ins Zeug legen muss. Seine wahre Identität hält er gegenüber Maria derweil vorerst geheim.

Das Skript begeht erfreulicherweise nicht den Fehler, das Versteckspiel länger als nötig aufrechtzuerhalten. Wir erleben hier auch Marias Perspektive – und können so gemeinsam mit ihr der Frage nachgehen, ob sich Tonys Fehlverhalten in der Vergangenheit verzeihen lässt. Die Chemie zwischen Dubosc und der 1999 geborenen Newcomerin Louna Espinosa, die in der französischen Fassung des Serien-Hits Club der roten Bänder zu sehen war, stimmt. Die Szenen zwischen Vater und Tochter vermeiden gekonnt die Sentimentalität. Der Tanz als Kommunikationsform und als Möglichkeit der Annäherung, wenn Worte unzureichend erscheinen, wird von der Inszenierung souverän genutzt.

Dramaturgisch ist Die Rumba-Therapie zweifellos formelhaft – von der Etablierung der Lebenssituation eines überzeugten Einzelgängers über die allmählichen Schritte einer charakterlichen Entwicklung, ausgelöst durch eine gesundheitliche Krise, bis hin zur finalen Reifeprüfung. Dem Werk gelingt es aber, den Figuren und dem Umfeld Tiefe zu verleihen, was nicht zuletzt den Nebenplots zu verdanken ist. Wenn Tony mit den Kindern im Schulbus interagiert oder wenn er einen Einblick in den Alltag seiner Nachbarin erhält, die als Lehrerin tätig ist, zeigt der Film einen charmanten Humor. Obendrein nimmt er das Tanzen bei aller Skepsis, die der Protagonist anfänglich dagegen hegt, als emotionalen Ausdruck ernst – bis hin zur schönen Schlusssequenz, in der Tony in einem ganz persönlichen Vater-Tochter-Moment demonstrieren darf, was er von Maria gelernt hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-rumba-therapie-2022