Wie auf Erden

Hibbelige Aufholjagd

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Viele werden sich noch an Wie im Himmel erinnern, diese altmodisch-gefühlvolle Geschichte über einen Stardirigenten, der in einem nordschwedischen Dorf Laien das Singen im Chor beibringt. Das für den Oscar 2005 nominierte Drama entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten schwedischen Filme aller Zeiten und lockte auch in Deutschland 1,4 Millionen Besucher in die Kinos. Viele von ihnen hätten wohl gerne erzählt bekommen, wie es mit dem Kirchenchor nach dem Tod seines herzkranken Leiters Daniel Daréus weiterging. Aber Regisseur und Drehbuchautor Kay Pollak sträubte sich lange gegen ein Sequel, um jetzt, nach einer Dekade, die Geschichte doch fortzuspinnen. Wie auf Erden setzt einige Monate nach den Ereignissen im Vorgängerfilm ein und stellt auf den nun vakanten Platz des Hauptcharakters dessen Freundin Lena (Frida Hallgren).
Lena bringt in einer verschneiten Winternacht unter dramatischen Umständen Daniels Kind zur Welt. Ihr Geburtshelfer ist der sturzbetrunkene Pfarrer Stig (Niklas Falk), auch eine aus dem ersten Film bekannte Figur. Stig kommt weder über die Trennung von seiner Frau hinweg, noch über die Tatsache, dass seine Kirche jeden Sonntag leer bleibt. Auch viele Mitglieder des Kirchenchors sind inzwischen weggezogen. Aber dort, wo die fröhliche Lena mit ihrer Rock'n'Roll-Band auf der Bühne steht, bleibt der Saal selten leer. Stig drängt daher Lena, Daniels Erbe anzutreten und mit dem Chor für das geplante Jubiläumskonzert, das live im Fernsehen übertragen werden soll, zu proben. Der Pfarrer glaubt, dass nur sie für eine volle Kirche sorgen kann. Auf dem Programm steht das Halleluja aus Händels Messias – eine schier unlösbare Aufgabe für Lena, die gar keine Noten lesen kann und erst noch Sänger und eine Menge Instrumentalisten aus dem weiteren Umkreis rekrutieren muss.

Der erste Film bezog seine Spannung aus den unorthodoxen Methoden, mit denen der renommierte Künstler Daniel die Dorfbewohner zum Singen brachte. Der Prozess des Sich-Öffnens und der Stimmentfaltung ging mit persönlichen Konflikten und dem Zusammenwachsen der Gemeinschaft einher. Nun steht die Zukunft der Kirche im Mittelpunkt – und die wird es nach Lenas Überzeugung nur geben, wenn der patriarchale, kreuzbrave Puritanismus durch Lebensfreude, ja sogar durch gelegentliche Tanzpartys im Gotteshaus ersetzt wird. Die Konflikte mit den Kirchenoberen sind damit vorprogrammiert.

Wie schon der Vorgänger zeichnet auch Wie auf Erden keine heile Welt: Es gibt gewalttätige Männer, Einsamkeit, Neid und Missgunst, eine Jugendliche, die sich ritzt. Aber all diese Probleme werden diesmal entweder im Handumdrehen gelöst oder vergessen. Denn der Erzählstil hat sich im Sequel radikal gewandelt. Lena bestimmt mit ihrer impulsiven, ungestümen Art den Ton in diesem bukolischen Drama der Kontraste. Binnen Sekunden wechselt das Energiebündel von Wut und Tränen zum zentralen, unbändigen Glücksgefühl. Wenn Lena dirigiert, springt und fuchtelt sie wie Rumpelstilzchen. Die ganze Inszenierung liebt den dicken Pinselstrich. Dieselben Schweden, die gerade erst als strenge, reservierte Menschen auftraten, oder ihre bislang unauffälligen Nachbarn sind in der nächsten Einstellung so leutselig gelöst, als hätten sie das Tanzen und kollektive Händchenhalten erfunden. Mit Authentizität oder Glaubwürdigkeit hat das nicht mehr viel zu tun. Einzig die Romanze Lenas mit Axel (Jakob Oftebro) sorgt für ein wenig Ruhe und emotionale Erdung. Der geänderte Tonfall hindert den Film daran, den Charme des Vorgängers wiederzubeleben, und für sich alleine genommen ist er auch kein rundes Vergnügen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/wie-auf-erden