Property (2022)

Bunker und Gefängnis

Eine Filmkritik von Mathis Raabe

Die immergrüne Kombination von Klassenkampf und Genrekino scheint in den letzten Jahren in Lateinamerika besonders beliebt zu sein. Filme wie „Bacurau“ und „New Order“ ziehen aus den Gräben, die Kolonialismus und Sklaverei hinterlassen haben, brutale Bilder und Rachenarrative. Wenn sich solche Filme häufen, können aber der politische Impetus  allein, und die Katharsis, Marginalisierte rebellieren zu sehen, die Gewalt nicht mehr begründen.

Wie schon der Titel verrät, verhandelt der brasilianische Film Property das Eigentumsrecht. Auf der einen Seite steht eine Familie, die Land besitzt, auf der anderen viele Familien, die auf diesem Land arbeiten. Dieses Kräfteverhältnis hat nichts mit Verdienst zu tun, es ist seit Generationen vererbt und dadurch naturalisiert. Dabei entspricht es nur einem bestimmten kapitalistischen Verständnis von Eigentum. Man könnte Eigentum auch anders denken: „Ich habe dieses Land durch meine Arbeit erworben“, formuliert eine Arbeiterin im Film. Sie hätten Körperteile dafür bezahlt, sagen andere, die von der Arbeit dauerhaft verwundet sind.

Leider sind es nur vereinzelte Dialogzeilen in Property, die sich bemühen, den Arbeiter*innen Motivationen mitzugeben und sie als komplexe Figuren zu zeichnen statt als wütenden Mob. Der Film beginnt bereits mit einer Gewaltsequenz. Die findet mitten auf einer Straße statt und ist in Hochkant-Handy-Optik gefilmt. Ein Mann mit Pistole hält eine Frau als Geisel, gegenüber ein verhandelnder Polizist, dann wird er erschossen, von einem anderen Polizisten wohl, der die Frau knapp verfehlt haben muss. Diese Frau stellt sich als Hauptfigur des Films heraus. Sie heißt Teresa (Malu Galli) und ist nach dem Vorfall traumatisiert, kann die Stadtvilla ihrer Familie kaum verlassen. Ihr Mann Roberto (Tavinho Teixeira) hält es deshalb für eine gute Idee, gemeinsam aufs Landgut zu fahren – mit einem neuen Auto, das er extra hat panzern lassen, um Teresas Ängste zu beruhigen. Leider sind auf dem Land, das die Familie besitzt gerade alle Arbeiter*innen entlassen worden. Der landwirtschaftliche Betrieb lohnt sich nicht mehr, stattdessen soll ein Hotel gebaut werden. Die Reaktionen: ein Suizid, dann die Ermordung des Aufsehers, der die schlechte Nachricht überbracht hat. Erneut ist dann Smartphone-Voyeurismus zu sehen: Eine junge Frau macht ein Foto von einer Leiche. Im weiteren Verlauf kommt dieses Motiv aber nicht mehr vor.

Die Landarbeiter*innen stecken nun in noch größeren Schwierigkeiten, denn es mangelt nicht nur an Geld und Arbeit, nun liegen auch noch Leichen herum. Als die Gruppe das Haus von Teresa und Roberto nach Wertsachen durchsucht, prallen die zwei Parteien aufeinander. Erneut eskaliert die Gewalt, Roberto wird ausgeschaltet, Teresa flüchtet in ihr Auto und endlich ist die Prämisse des Films erfolgreich herbeikonstruiert. Die Technik wendet sich gegen Teresa: Das neue Auto ist zwar gepanzert, springt aber nur per Sprachsteuerung an, die ihr Mann programmiert hat. Erneut steckt sie in einer Geiselsituation. Kugelsicher, aber unbeweglich, ist ihr Auto Bunker und Gefängnis zugleich.

Das Auto ist eine geistreiche Plot-Idee und kann für einige gut inszenierte Spannungsmomente sorgen. Ärgerlich ist aber, dass das große Ensemble der Arbeiter*innen vom Drehbuch kaum Nuancen bekommt. Eine ältere Frau namens Antonia (Zuleica Ferreira) wird zur geistigen Anführerin der Gruppe. Sie unterscheidet sich von Dimas (Samuel Santos), der weniger verhandeln und mehr schießen möchte. Diese inneren Konflikte der Gruppe werden aber nie ausdiskutiert. Die Figuren sind schablonenhaft, oft sogar herablassend gezeichnet. Dimas wird in einer Szene wie ein Tier inszeniert: Blutüberströmt und grunzend verfolgt er Teresa. Eine weitere Figur wirkt dümmlich und eitel: Sie lässt sich von Teresa mit einem Kleid bestechen.

Weil der Film seinen Figuren keine Tiefe zutraut, scheitert Property auch daran, zu den Themen Grundbesitz und Ausbeutung irgendetwas Neues zu Tage zu fördern. Stattdessen wird nur die Gewalt im Laufe des Films immer absurder und findet mit dem Versuch, ein politisches Thema mit realen Leidtragenden zu bearbeiten keinen Zusammenklang.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/property-2022