Past Lives - In einem anderen Leben (2023)

So random, dass es schon wieder schön ist

Eine Filmkritik von Sophia Derda

Wahrscheinlich kennen wir das doch alle: eine Person aus der Kindheit oder Jugend, die man einfach nicht vergessen kann. Man hat schon seit Jahren keinen Kontakt mehr, und denkt doch hin und wieder an sie zurück. Das könnte unter anderem an nostalgischer Verklärung liegen – wenn man sich an seine erste Liebe im Sandkasten erinnert, denkt man an eine Zeit, in der alles leicht und beschwingt war, weil man als Kind das Leben an sich noch nicht erfassen konnte. Celine Song hat mit „Past Lives“ einen Film gemacht, der zwei Menschen folgt, die sich gegenseitig einfach nicht vergessen können. 

Die südkoreanische Dramatikerin und Drehbuchautorin Celine Song ist als Kind mit ihren Eltern nach Kanada ausgewandert und lebt nun mit ihrem amerikanischen Schriftsteller-Ehemann in New York. Eine Lebensgeschichte, die es sich ihrer Meinung nach zu verfilmen lohnt – sie gibt damit ihr Kinodebüt. Past Lives folgt Songs Biografie und beginnt bei den Kindern Young Na und Hae Sung in Südkorea. Sie verbindet eine innige Freundschaft, die durch Young Nas Umzug nach Kanada getrennt wird. 12 Jahre später lässt Facebook ihre Wege kreuzen. Young Na heißt jetzt Nora (Greta Lee) und arbeitet als Autorin in New York. Hae Sung (Teo Yoo, großartig in Leto) lebt in Seoul, studiert und geht gerne mit seinen Freunden einen trinken. Aus kurzen Nachrichten werden lange Skype-Calls und die innige Freundschaft entfacht erneut. Aber bald schon hinterfragt Nora die Beziehung der beiden und sieht darin keine Zukunft. Sie will sich auf ihr Leben in den USA konzentrieren und bricht den Kontakt wieder ab. Weitere 12 Jahre später geht die Geschichte weiter. Hae Sung macht Urlaub in New York und trifft auf Nora und ihren Ehemann Arthur (John Magaro). 

Past Lives reiht sich als jüngstes Werk in eine Reihe von Filmen ein, die das Studio A24 zum Themenkomplex asiatischer Immigration und Identität in den USA veröffentlicht hat. Von The Farewell (2019) über Minari – Wo wir Wurzeln schlagen (2020) bis zu zuletzt Everything Everywhere All at Once (2022) werden die erste und zweite Generation immigrierter Einwander*innen in den Fokus gesetzt und deren Perspektiven auf universelle Themen gezeigt. 2022 feierte A24 seinen zehnten Geburtstag. Die Gründer Daniel Katz, David Fenkel und John Hodges hatten eine simple Idee, die zur Erfolgsformel wurde: Arthouse-Filme erwerben und sie durch cleveres digitales Marketing mit einem breiteren Publikum verbinden. Mit Daniel Kwans und Daniel Schienarts Everything Everywhere All at Once hatten sie vergangenes Jahr ihren bisher größten Kassenerfolg, der weltweit 100 Millionen Dollar einspielte. Sobald das ikonische A24 Logo erscheint, lässt es die Herzen von Filmfans weltweit etwas höher schlagen. A24 ist zum Synonym für innovative Indie-Filme geworden, vielfältige und junge Geschichten scheinen dort zuhause zu sein. Es scheint der nahbare und authentische Charakter zu sein, der das Studio und die dazugehörigen Filme so populär macht. Celine Song hat mit Past Lives einen Film geschaffen, der in diesem Portfolio perfekt aufgeht. 

Als ästhetische Linie entschied man sich für gedeckte Farben, die unauffällig als unterstützendes Element dienen sollen. Beige in Beige im Park, Blau in Blau auf der Bootstour zur Freiheitsstatue. Der Blick wird nicht gestört, alles ist perfekt. Unsere Protagonist*innen leben dazu passend ein möglichst unauffälliges und angepasstes Leben – bloß nicht anecken! Hae Sung erzählt Nora beim Spaziergang durch einen Park, er würde sich nicht einmal mit seiner Freundin streiten.

Durch die zurückhaltenden Gespräche tritt die Zerrissenheit von Nora in den Vordergrund. Ihre südkoreanischen Wurzeln müssen ihren Platz finden, wie sie sich an einer Stelle des Films selbst zitiert. Es wird viel über Schicksal gesprochen. Wer ist dafür verantwortlich, wie das Leben läuft? An Past Lives ist alles so random, dass es schon wieder schön ist. Man hört Nora und Hae Sung gerne zu, wünscht ihnen nur das Beste, aber das war’s dann auch schon wieder. Der humoristische Höhepunkt ist eine Signierstunde von Arthurs neuestem Buch, dessen Titel „Boner“ lautet. Im Kinosaal wurde nicht gelacht, zu klein und unauffällig war das Detail in diesem zu geradlinigen Film. 

Celine Song hat mit ihrer eigenen Lebensgeschichte einen Film geschrieben und inszeniert, der sich an die A24-Erfolgsformel hält und sicherlich viele Fans finden wird. Nora und Hae Sung gehen zum Schluss wieder auseinander, vergessen werden sie sich aber nie. Dass es uns mit Past Lives ähnlich gehen wird, wage ich zu bezweifeln.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/past-lives-in-einem-anderen-leben-2023