Asteroid City (2023)

Bewegte Wimmelbilder

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mit den Filmen von Wes Anderson ist es ja so eine Sache: Man liebt sie oder man hasst sie – eine andere Haltung ist eigentlich kaum möglich. In seinem neuen Film „Asteroid City”, der beim Filmfestival von Cannes im Wettbewerb zu sehen war, bleibt der Regisseur (natürlich) seinem unverwechselbaren visuellen Stil und seiner Art des Erzählens treu. Nur tritt er damit auch auf der Stelle. Das große Starensemble, die Pastell- und Bonbonfarben, die überbordende Storyline mit zahlreichen Abschweifungen, Seiten- und Umwegen und auch einigen Lachern – all das ist längst nichts Neues mehr.

Immerhin – das muss man bei Anderson schon fast als Fortschritt werten – plündert er dieses Mal nicht die europäische bzw. die französische Kultur wie in The Grand Budapest Hotel oder The French Dispatch, sondern bedient sich an der US-amerikanischen Kultur der 1950er Jahre: am Broadway-Theater, der American-Diner-Kultur, modernen Mythen wie dem Roswell-Zwischenfall und den B-Movies jener Zeit.

Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die vorgibt (warum eigentlich?), die kommende Geschichte sei ein Theaterstück und kein Film, lässt Anderson in einem kleinen Wüstenkaff namens Asteroid City (benannt nach der einzigen Sehenswürdigkeit des Örtchens, einem riesigen Krater, der durch den Einschlag eines absurd kleinen Asteroiden verursacht wurde) sein Starensemble aufeinanderprallen. Im Mittelpunkt steht (zuerst) der Witwer und Kriegsfotograf Augie Steenbeck (Jason Schwartzman), der seinen Kindern noch nicht gestanden hat, dass ihre Mutter schon vor drei Wochen gestorben ist. Als der Wagen der Familie eine Panne erleidet, findet die Fahrt zum Schwiegervater (Tom Hanks) in Asteroid City ihr Ende – scheinbar zufällig, dann aber doch wieder absichtsvoll: Dort werden nämlich anlässlich eines Jahrestags junge Nachwuchsforscher ausgezeichnet – und Augies Sohn ist einer der Finalisten. Das ist eine von vielen Widersprüchlichkeiten. Das Drehbuch hat so viele Einfälle, dass neben dem Auto auch die Logik auf der Strecke bleibt.

Zum Jahrestag findet sich allerlei buntes Volk ein: Militärs und Regierungsbeamte, Astrologen, ein durchreisender Filmstar (Scarlett Johansson) nebst Tochter, etliche andere Personen unterschiedlichster Herkunft und Motivation – sowie ein Alien, das während der Feierlichkeiten in aller Seelenruhe aus einem UFO hinabschwebt, sich den Asteroiden schnappt und wieder verschwindet. Daraufhin wird das Wüstenkaff prompt zum Sperrgebiet erklärt und alle Anwesenden durch das Militär zu einem längeren Aufenthalt gezwungen, was wiederum einiges an (auch amourösen) Verwicklungen nach sich zieht.

Immer wieder wird das Geschehen unterbrochen durch Sprünge zurück in die Rahmenhandlung, die Einblicke in eine Theaterproduktion mit all ihren Schwierigkeiten bietet und den Film in Akte und Szenen enteilt. Dadurch ist Asteroid City so prallvoll mit (Abziehbild-)Figuren, die kaum je mehr charakterisiert sind als durch eine Eigenschaft (zumeist der Beruf) und einen Gesichtsausdruck, dass man schnell den Überblick verliert. Immerhin: Für das zumindest oberflächliche Verständnis des Films ist das nicht von Belang und viel mehr als die Oberfläche gibt es bei dieser Ansammlung von Pastiches auch nicht zu verstehen. Im Grunde gleichen alle Filme von Wes Anderson bewegten Wimmelbildern, deren Gleichzeitigkeit von Figuren und Geschichten in eine zeitliche Linearität gezwängt wurde. 

In den letzten Wochen war es ein Social-Media-Trend, frei verfügbare AI-Programme zu nutzen, um Bild- und Video-Kreationen im Stil von Wes Anderson zu erschaffen. Nach Asteroid City könnte man ein wenig bösartig vermuten, eine (noch nicht sehr weit entwickelte) Künstliche Intelligenz habe auch das Drehbuch zu dem Film zusammengedengelt. Etwas mehr Herz und echte Emotion dürften schon sein. Fans des ewigen Spielkindes Wes Anderson werden sich aber daran nicht groß stören.

(gesehen in Cannes 2023)

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/asteroid-city-2023