Scream VI (2023)

We’re in a Franchise!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

In „Halloween VI – Der Fluch des Michael Myers“ (1995) hatte sich um den titelgebenden Serienmörder eine obskure Sekte gebildet; ein paar (überwiegend neu besetzte) Figuren aus vorherigen Teilen galt es noch zu verfolgen. In „Freitag der 13. Teil VI – Jason lebt“ (1986) musste der Killer Jason Voorhees erst einmal durch einen Blitzschlag reanimiert werden, ehe sich die Meucheltour fortsetzen konnte. Und in „Freddy’s Finale – Nightmare on Elm Street 6“ wollte man dem albtraumhaften Treiben von Freddy Krueger ein endgültiges Ende bereiten und warf einen Blick in dessen düstere Vergangenheit.

Große Filmkunst haben die sechsten Teile der populärsten Slasher-Reihen gewiss nicht hervorgebracht – unter Genre-Fans genießt jeder von ihnen aus diversen Gründen aber dennoch ein gewisses Ansehen. Und nun bringt es auch die Scream-Reihe auf sechs Filme. Mit der postmodernen Subgenre-Variante Scream – Schrei! entfachten der Drehbuchautor Kevin Williamson und der Regisseur Wes Craven im Jahre 1996 durch ein cleveres Spiel mit der Metaebene eine Renaissance des juvenilen Spannungskinos.

Nach zwei Fortsetzungen in den Jahren 1997 und 2000 sowie etlichen Nachahmern erschien das Prinzip der Selbstreferenzialität indes irgendwann müde und verbraucht. Andere, weniger ironische Ausprägungen des Horrors dominierten für einige Zeit die Leinwände, bevor Wes Craven mit Scream 4 (2011) die Lebenswelt der Digital Natives sowie die Entwicklungen des Genres in die zitatreichen Aktivitäten von Ghostface zu integrieren versuchte – und schließlich das Regieduo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett gemeinsam mit den beiden Autoren James Vanderbilt und Guy Busick rund eine weitere Dekade später mit Scream (2022) ein sogenanntes Requel schufen: eine Mischung aus Remake und Sequel, die neue Figuren mit vertrautem Personal zusammenbringt.

Dabei entstand ein leidlich unterhaltsamer Slasher-Beitrag, dem es nur bedingt gelang, echtes Interesse an den frischen Charakteren zu wecken. Sam Carpenter (Melissa Barrera) – die Tochter des Mörders aus Teil 1 – und deren jüngere Halbschwester Tara (Jenna Ortega) sowie das Geschwisterpaar Mindy (Jasmin Savoy Brown) und Chad Meeks-Martin (Mason Gooding), das wiederum mit einer anderen zentralen Figur aus der ursprünglichen Trilogie verwandt ist, sind jetzt in Scream VI als Überlebende beziehungsweise als selbsternannte „Core Four“ wieder mit dabei. Circa ein Jahr ist seit den blutigen Vorfällen im suburbanen Woodsboro vergangen; vor sechs Monaten ist das Quartett nach New York City gezogen, wo Tara, Mindy und Chad die Universität besuchen. Neben der unverwüstlichen Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox) taucht später noch die aus Teil 4 bekannte Kirby Reed (Hayden Panettiere) als Polizistin auf.

Ein Schauplatzwechsel in die Großstadt ist natürlich nichts Neues – das gab es etwa auch schon in Freitag der 13. Teil VIII – Todesfalle Manhattan (1989), worauf uns Scream VI selbstverständlich hinweist. Gleichwohl tut das veränderte Setting dem Franchise ziemlich gut. Hippe Bars und dunkle Gassen, Spirituosengeschäfte und die U-Bahn sind einige der Orte, an denen sich im Rahmen der Reihe auf vergleichsweise unverbrauchte Weise Suspense erzeugen lässt. Obendrein können sich die Figuren, die im Vorgänger doch eher wie weniger reizvolle Kopien früherer Protagonist:innen anmuteten, hier mehr entfalten und zu sich selbst finden. Sam, Tara, Mindy und Chad tragen sichtbare und verborgene Narben mit sich herum – und in all jenen Momenten, in denen dies eher als Hintergrund spürbar wird, statt allzu plakativ der (Küchen-)Psychologisierung zu dienen, ist das durchaus überzeugend, auch dank des soliden Spiels des Kern-Ensembles.

Seiner Ambition, völlig anders und neu zu sein, vermag Scream VI in manchen zusätzlichen Details gerecht zu werden. Die Eröffnungssequenz, die damit beginnt, dass ein Retro-Telefon klingelt und eine von Samara Weaving verkörperte Figur mit dem bezeichnenden Nachnamen Crane (siehe Psycho) per Handy mit einem Unbekannten über Slasher-Movies als VOutsider-Kunst plaudert, ist gleichzeitig altmodisch und originell-überraschend. Und auch im weiteren Verlauf lässt sich dem Skript und der Inszenierung jedenfalls kein mangelndes Tempo vorwerfen. Als Whodunit ist der Film wiederum enttäuschend transparent – und er scheint sich dessen leider nicht bewusst zu sein. Auch hinsichtlich seiner eigenen extrem reaktionären Einstellung im finalen Akt fehlt dem Werk offenbar die Selbsterkenntnis, die es in so vielen Dialogen und Bildideen zur Schau stellt.

„Who gives a fuck about movies?“, heißt es relativ zu Beginn. Und vielleicht steckt Scream VI da irgendwie in einer Identitätskrise: Er will sich einerseits über toxische Fan-Kultur erheben und sich über Tropen des Horror- und Franchise-Kinos lustig machen, verfällt andererseits aber doch wieder in Althergebrachtes, um bloß keine Möglichkeit für einen One-Liner oder einen hübschen Gore-Effekt auszulassen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/scream-vi-2023