Mumien - Ein total verwickeltes Abenteuer (2023)

Etwas muss sich ändern, aber bitte nicht zu viel!

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Das Hollywood-Kino dominiert den Weltmarkt. Auch und vielleicht besonders im Bereich des Animationsfilms. Immer wieder setzen Disney und Co neue Maßstäbe und bringen – das gehört zur Wahrheit dazu – einige echte Meisterwerke hervor. Man denke nur an den tiefsinnig-berührenden Pixar-Streifen „Soul“, der im Zuge der Corona-Wirren hierzulande leider nur auf der Streaming-Plattform Disney+ veröffentlicht wurde. Angesichts der US-Vorherrschaft tut es gut, wenn von Zeit zu Zeit einmal ein größeres Animationswerk aus einem anderen Kontext einen Leinwandstart erhält. Mit „Mumien – Ein total verwickeltes Abenteuer“ schafft es eine spanische Produktion – wenngleich vertrieben über den Giganten Warner Bros. – in unsere Kinos. Lange erinnern dürften sich Groß und Klein daran jedoch nicht. Denn zu sehr fühlt sich das Ganze wie Konfektionsware an, die ihre emanzipatorischen Bestrebungen am Ende zum Teil unterläuft.

Stand in der ebenfalls von der iberischen Halbinsel kommenden, 2022 erschienenen Animationskomödie Tad Stones und die Suche nach der Smaragdtafel ein tollpatschig-semiprofessioneller Archäologe im Mittelpunkt einer turbulenten, weltumspannenden Handlung, begeben sich im Regiedebüt von Juan Jesús García Galocha drei Mumien auf eine Reise mit ein paar nicht ganz ausgereiften Culture-Clash-Akzenten. Der Grund für ihren Aufbruch aus der Heimat, einer im Untergrund versteckten altägyptischen Stadt: Ex-Streitwagenlenker Thut wird durch einen witzig inszenierten Zufall bei einem Ritual als zukünftiger Ehemann von Prinzessin Nefer auserwählt, verliert dummerweise aber den Verlobungsring an den raffgierigen Grabräuber Lord Carnaby. Da dieser das Schmuckstück mit nach London nimmt, um seine Ausstellung zu veredeln, jagen ihm Nefer und Thut, widerwillig an einem Strang ziehend, sowie Thuts kleiner Bruder Sekhem und dessen Babykrokodil hinterher.

Animationsarbeiten in einer Pressevorführung mit Kindern zu schauen, ist überaus ergiebig. Kann man so doch live mitverfolgen, wie die Filme beim Kernpublikum ankommen, ob die Gags sitzen, die Geschichten das Interesse wachhalten können. Für Mumien – Ein total verwickeltes Abenteuer lässt sich sagen: Der Slapstick-Humor funktioniert in den meisten Fällen recht gut, vor allem dann, wenn das knuffige Krokodil beteiligt ist. Abgeholt werden die kleinen Zuschauer*innen zudem von den schnittigen, zwischendurch eingestreuten Popsongs und Tanzeinlagen, die allerdings auch etwas beliebig und kalkuliert wirken. Bevor Langeweile aufkommt, werfen wir eine kurze Musical-Passage ein – diesem Credo scheinen die Macher*innen bereitwillig zu folgen. Für Kurzweil und Spannung sollen überdies einige Actionsequenzen sorgen, etwa eine ereignisreiche Hetzjagd durch die Straßen Londons.

Schaut man sich das Drehbuch und die Aussagen des Films genauer an, drängt sich dennoch eine gehörige Portion Ernüchterung auf. Anfangs werfen der Regisseur und seine Autoren Javier López Barreira und Jordi Gasull einen durchaus kritischen Blick auf die Traditionshörigkeit im geheimen Mumienstaat und stellen Prinzessin Nefer als selbstbewusste, junge Frau dar, die sich nicht einfach verheiraten lassen will. Fast schon überdeutlich wird betont, dass sie ihren eigenen Weg gehen möchte, wobei der Traum, Sängerin zu werden, eher aus der Klischeekiste stammt und als Rechtfertigung für die musikalischen Einschübe dient.

Absolut vorhersehbar ist die Entwicklung der Beziehung von Nefer und Thut, die anfangs nur eine Zweckgemeinschaft bilden. Dass Mumien – Ein total verwickeltes Abenteuer gegen Ende auf nicht sehr elegante Weise abgegriffene Konventionen und Rollenbilder bemüht, frustriert, gerade mit Blick auf den plakativ ausgestellten Selbstbestimmungsgedanken. Reichlich lieblos und damit wenig ergreifend arbeitet der Film zudem Thuts „Trauma“, wenn man es denn so nennen kann, ab, dessen Ursprung bei einem furiosen, an den Klassiker Ben Hur erinnernden Wagenrennen liegt. Der Moment, in dem er der Nefer gesteht, warum er seine einst so erfolgreiche Karriere an den Nagel gehängt hat, fühlt sich an wie Füllmaterial, liefert keine erhellenden Erkenntnisse.

Was ebenfalls stört: Manche Witze sind nicht nur plump, sondern auch diskriminierend. Lord Carnabys Handlanger zum Beispiel, zwei absolute Knallchargen mit größerer Körperfülle, werden in einer Szene zum Gespött, weil sie nur noch ans Essen denken und dabei den Protagonisten die Flucht ermöglichen. Hahaha, selten so gelacht! Der Oberschurke kommt über die 08/15-Kategorie nicht hinaus. Erwachsene dürften in seinem Fall jedoch über die Psycho-Anspielungen schmunzeln. Irritationen könnte dagegen das Erscheinungsbild Nefers hervorrufen, die mit einem nach Botox-Eingriffen aussehenden Püppchengesicht durch den Film spaziert. Sind wir heute nicht endlich so weit, Prinzessinnen mit einem aufregenden, aber nicht künstlich-perfekten Antlitz zu zeigen?

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/mumien-ein-total-verwickeltes-abenteuer-2023