Die Drei Musketiere: D'Artagnan (2023)

Mäntel, Degen und Verschwörungen

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Würde man eine Liste der meistverfilmten Romane erstellen, Alexandre Dumas' „Die drei Musketiere“ würde sehr, sehr weit oben landen. Die Anzahl der Adaptionen, die seit 1921 erschienen sind, als erstmals sowohl eine französische als auch eine US-amerikanische Leinwandversion entstand, ist enorm. Zuletzt versuchte Paul W.S. Anderson mit „Die drei Musketiere“ (2011), das Mantel-und-Degen-Genre durch viel Bombast und 3D-Klimblim zu entstauben; nun folgt mit „Die drei Musketiere – D’Artagnan“ von Martin Bourboulon („Eiffel in Love“) mal wieder eine Verfilmung aus dem Entstehungsland des Buches.

Auch die möchte den Staub früherer Tage abklopfen und holt sich dafür Inspiration im Serienbereich, namentlich von Game of Thrones. Das ist zumindest eine der ersten und stärksten Assoziationen, die sowohl bei der einleitenden Texttafel als auch der Eröffnungssequenz aufkommen. Frankreich sei gespalten, heißt es da, es gebe Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten, einen ganzen Widerstand, Krieg mit England stehe bevor, und der König stehe schwach da. Intrigen überall! Der junge Charles D'Artagnan (Francois Civil) bricht auf, um sich in den Dienst von Louis XIII. (Louis Garrel) zu stellen. Er macht Halt in einem kleinen Dorf, schwerer Regen, Matsch, ein erster Kampf mit Unbekannten, die eine adelige Frau überfallen, ein Schuss. D'Artagnan fällt in den Schlamm, scheint tot, wird verbuddelt – und gräbt sich am nächsten Tag keuchend aus der Erde hervor. Die Bibel in seiner Brusttasche hat ihn vor der Kugel bewahrt.

Von da an geht es auf bekanntem Wege weiter: D'Artagnan begegnet Athos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmai) und Arms (Romain Duris), eckt zunächst bei ihnen an, wird dann aber Teil des Bundes. Spätestens als – da weicht der Film wieder ab – eine Verschwörung dafür sorgt, dass Athos festgenommen wird und ihm die Hinrichtung droht, ist die Truppe vereint. Schließlich gilt es, gemeinsam den Tod des Kameraden zu verhindern. 

D'Artagnan folgt weitestgehend Dumas' ursprünglicher Geschichte, erlaubt sich hier und da aber ein paar erfrischende Abzweigungen und werkelt auch an den Figuren herum. Aus Athos etwa machen die Drehbuchautoren Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte (22 Bullets, Der Vorname) einen schwermütigen alten Mann, dessen Vergangenheit schwer auf seinen Schultern lastet und der mit seinem Leben bereits abgeschlossen hat, was ihn zu einem der interessantesten Charaktere macht – nur um ihn dann zwei Drittel des Filmes im Knast versauern zu lassen. Constance Bonacieux (Lyna Khoudri) bleibt zwar D'Artagnans Angebetete, wird aber von der Frau seines Vermieters zur Vermieterin selbst. Und der eigentliche Gegenspieler und Strippenzieher Kardinal Richelieu (Éric Ruf) ist über weite Strecken praktisch abwesend. Dafür darf Eva Green als Milady de Winter in ihrer Paraderolle als Femme-fatale-Vamp umso mehr glänzen, auch wenn man ihre Outfits wohl eher im 19. denn im 17. Jahrhundert verorten würde.

Der inhaltliche Mehrwert dieser Neuinterpretation hält sich für Kenner*innen also in Grenzen, am deutlichsten stechen da noch die nationalpolitischen Untertöne rund um religiöse Konflikte und einen aufkeimenden Bürgerkrieg hervor. Die verliert der Film allerdings auch lange Zeit aus den Augen, nur um sie dann im letzten Drittel halbherzig wieder aufzugreifen und in einen dicken Cliffhanger umzumünzen – Teil zwei soll im Dezember erscheinen. 

Ästhetisch und atmosphärisch hingegen weiß der grimmig-düstere Ton von D'Artagnan durchaus zu überzeugen: Die Gassen von Paris sind schön schmuddelig, die Kostümierungen aufwendig, über allem schwebt der Geist der Verschwörung und politischen Intrige, und in den gelegentlichen Kampfsequenzen, in denen Kameramann Nicolas Bolduc immer wieder mit langen, schnittfreien Handkamera-Shots arbeitet, wird auch was fürs Auge geboten. Dank all dem kann D'Artagnan über seine zwei Stunden unterhalten, und das sogar gut, für Begeisterung aber sorgt er nie. Und wird sich deshalb wohl einreihen in die Vielzahl der Musketier-Filme, die schon nach wenigen Jahren vergessen sind, wenn der nächste ansteht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-drei-musketiere-dartagnan-2023