A Christmas Story Christmas: Leise rieselt der Stress (2022)

Ralphie ist zurück!

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der Film „A Christmas Story“ aus dem Jahre 1983 hat sich in den USA im Laufe der Zeit zu einem absoluten Dauerbrenner der Weihnachtstage entwickelt, ähnlich wie etwa „Kevin – Allein zu Haus“ (1990) und dessen Sequel „Kevin – Allein in New York“ (1992). Auch in (West-)Deutschland lief das von Bob Clark inszenierte, auf Jean Shepherds Kurzgeschichte „In God We Trust, All Others Pay Cash“ basierende Werk mit einem Jahr Verzögerung unter dem Titel „Fröhliche Weihnachten“ im Kino, hat hierzulande aber nie den Status eines modernen Klassikers erreicht, sondern ist weitgehend unbekannt.

Die nun startende Fortsetzung A Christmas Story Christmas – Leise rieselt der Stress wird daher in Deutschland wohl nur die Aufmerksamkeit eines recht kleinen Kreises erregen. Diesem kleinen Kreis sei jedoch gesagt: Ihr dürft euch freuen! Denn der Film bietet genau das, was eine Weiterführung dieser Story braucht. Der Held des ersten Teils, Ralphie Parker (Peter Billingsley), der eine chaotische, aber durchaus behütete Kindheit im suburbanen Raum des Bundesstaats Indiana in den 1940er Jahren erlebte, ist inzwischen ein erwachsener Mann. Wir befinden uns in der Mitte der 1970er Jahre; Ralphie träumt von seinem Durchbruch als Schriftsteller und wird dabei von seiner Ehefrau Sandy (Erinn Hayes) und seinen Kindern Mark (River Drosche) und Julie (Julianna Layne) unterstützt. Als der Besuch von Ralphies Eltern wenige Tage vor dem Weihnachtsfest ansteht, erhält Ralphie von seiner Mutter (Julie Hagerty) eine traurige Nachricht bezüglich seines Vaters. Ralphie ist dennoch fest entschlossen, seiner Familie schöne Tage zu bescheren.

Zu den Besonderheiten von A Christmas Story gehörte es, dass er im Gegensatz zu früheren (und auch späteren) Weihnachtsfilmen wie Ist das Leben nicht schön? (1946) oder Das Wunder von Manhattan (1946 und 1994) nicht auf übersinnlichen Zauber setzte, sondern vor allem auf Situationskomik und auf teilweise ziemlich schwarzen Humor. Ganz so rabiat wie die Kevin-Reihe oder die Komödie Schöne Bescherung (1989) um die notorische Familie Griswold ist Clarks Werk indes auch nicht; es lädt vielmehr zum belustigten Schmunzeln ein. Diese Erzähltradition führt der Regisseur Clay Kaytis, der zusammen mit Nick Schenk auch das Drehbuch schrieb, fort. In der Zeichnung der Figuren und in der Darstellung der Beziehungsdynamiken lässt er etwas mehr Tiefe zu – was gleich zu Beginn durch einen Trauerfall und im weiteren Verlauf durch dessen Verarbeitung deutlich wird.

Der Film richtet sich in erster Linie an ein Publikum, dem Ralphies Kindheitsabenteuer vertraut ist; er schließt Personen ohne die Kenntnis des ersten Teils allerdings nicht aus. A Christmas Story Christmas ist im Zuge einer Retrowelle entstanden, in der (auch) etliche familientaugliche Hits der Vergangenheit, darunter Hexen hexen (1990), Hocus Pocus (1993), Verwünscht (2007) und zahlreiche Disney-Zeichentrickklassiker, durch Remakes oder Sequels wiederbelebt werden. Der Film geht mit seinem Vorgänger überaus liebevoll um. Es gibt einige Anspielungen (etwa auf das scheußliche rosa Hasenkostüm), wiederkehrende Situationen (wie die Autopanne oder den Besuch beim hochfrequentierten Kaufhausweihnachtsmann und dessen Elfen) und Auftritte alter Bekannter – von Ralphies Schulkameraden Flick (Scott Schwartz) und Schwartz (R.D. Robb) über den einstigen Bully Scut Farkus (Zack Ward) bis hin zu Ralphies jüngerem Bruder Randy (Ian Petrella). Am Ende eröffnet sich eine Metaebene; insgesamt strebt die Komödie jedoch nicht nach einer Revolutionierung des Genres, sondern einfach nach nostalgisch angehauchter, gleichwohl nicht übertrieben sentimental-kitschiger Unterhaltung.

Die Einfühlung in den gedanklichen Kosmos eines Kindes wird hier stimmig in die Schilderung erwachsener Sorgen überführt. Der ältere Ralphie träumt nun davon, einen Verleger für seinen (zu) ambitionierten Science-Fiction-Roman zu finden. Das Familienleben und die Gestaltung der Feiertage sind noch immer weit vom Bilderbuch-Ideal entfernt; auf Fragen nach der richtigen Erziehung oder nach dem adäquaten Umgang mit Konsum zur Weihnachtszeit haben die Parkers auch in dieser Generation noch keine rundum zufriedenstellenden Antworten parat. Das alles ist sympathisch – nicht zuletzt dank Julie Hagerty (Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug), die Melinda Dillon in der Rolle von Ralphies Mutter ablöst, deren leicht betulich wirkende Spielweise jedoch wunderbar aufgreift und viel zur Wärme dieses sanft anarchischen, mild satirischen Films beiträgt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/a-christmas-story-christmas-leise-rieselt-der-stress-2022