Daniel Richter (2022)

Die Erklärung der Kunst

Eine Filmkritik von Christian Neffe

„Sag mal, Daniel, warum machen wir diesen Film, und warum machen wir ihn gerade jetzt?“ Mit dieser Frage an den titelgebenden Protagonisten eröffnet Pepe Danquart („Vor mir der Süden“, 1994 mit dem Oscar für den besten Kurzfilm „Schwarzfahrer“ ausgezeichnet) seine neue Dokumentation „Daniel Richter“. Die Antwort fällt, wie sich das für einen Künstler gehört, lang, kompliziert und uneindeutig aus: Der Film könne Diskussionsmaterial schaffen, etwas über Kunst und den Kunstbetrieb an sich erzählen, sei ein weiteres Mittel des Ausdrucks, und überhaupt sei das alles hier ein großes Experiment, ein „offener Prozess“. „Es ist nicht nur Eitelkeit. Mal abgesehen davon, dass es eh nicht viele Leute interessiert“, lacht Daniel Richter in die Kamera.

Richter ist Künstler, Maler, in Deutschland und darüber hinaus einer der größten und relevantesten der Gegenwart. Bei Auktionen kommen seine Werke für sechs- oder siebenstellige Beträge unter den Hammer. Zuvor entstehen sie in Richters Atelier, und dieser Schaffensprozess nimmt viel von der knapp zweistündigen Laufzeit ein: Wir sehen Richter über einen Zeitraum von drei Jahren immer wieder zu lauter Musik mit allerhand Farben und Werkzeugen auf großformatigen Leinwänden arbeiten, stets parallel an mehreren und immer seine beiden Vögel in der Nähe oder auf seinem Kopf sitzend.

Durchbrochen wird dies einerseits mit Richters monologischen Ausführungen über seine Inspirationen, seine Herangehensweise, seine Intentionen und Assoziationen. Andererseits sind da Interviews etwa mit einem Kunstsammler, einem Auktionator, einer Galeristin und Richters (deutlich unterhaltsamerem) Künstlerkollegen Jonathan Meese. Außerdem geht's zu Galerien in New York und Paris, in denen seine neuen Arbeiten ausgestellt werden.

Dass moderne und im Speziellen abstrakte Kunst heutzutage nicht mehr ohne zusätzliche Ausführungen – in der Regel in Form kleiner Schilder neben den Werken, gefüllt mit allerhand hochtrabenden Schlagworten – auskommt, da bildet auch Daniel Richter keine Ausnahme. Dieser Beipackzettel-Charakter schleicht sich immer dann in die Doku, wenn der Protagonist und die anderen zu Wort kommenden Persönlichkeiten Richters Stil, Entwicklung (von figürlichen zu abstrakten hin zu inzwischen figürlich-abstrakten Werken) und die Wirkung seiner Bilder in ausschweifende Erklärungen verpacken und dabei gern mal etwas über die Stränge schlagen.

In einer Zeit, in der im Kunstmarkt der Name über allem anderen steht, lässt sich das zwar als blauäugige Überhöhung der Künstlerpersönlichkeit (und damit Legitimierung dieser absurd hohen Preise) verstehen. Dem Film gelingt es jedoch zugleich, seine Beobachtungen so zu inszenieren und zu verknüpfen, dass eine deutlich spürbare, bisweilen sogar ironische Distanz entsteht. Etwa wenn Danquart und sein Cutter Toni Froschhammer besagte Versteigerung für 850.000 Euro mit Richters Ausführungen darüber gegenschneiden, dass russische Oligarchen, Saudis, Katarer, eine „neu herausgebildete chinesische Bourgeoisie“ und wahrscheinlich auch Kartellbosse aus Südamerika allesamt ihr Geld in den Kunstmarkt stecken würden, um es einerseits zu waschen, andererseits einen elitären Club zu bilden, um Statussymbole anzuhäufen. Was Richter aber freilich nicht von seiner Arbeit abhält.

Fans von Daniel Richter respektive seiner Kunst werden bei diesem Film, so ungewohnt intim die Einblicke in sein Atelier und seine Arbeit sind, dahinschmelzen. Allen anderer bietet Danquarts Doku einen nüchternen, und dadurch zwar nicht (wie etwa Banksys Exit Through the Gift Shop) offensiv, aber zumindest subtil kritischen Einblick in eine Welt, die den meisten völlig fremd und (allein aus monetären Gründen) wenig greifbar sein dürfte: den modernen Kunstmarkt. Nach Daniel Richter ist all das ein gutes Stück verständlicher.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/daniel-richter-2022