Der Super Mario Bros. Film (2023)

Mamma mia!

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Die Serie "The Last of Us" durchbrach den anhaltenden Pessimismus. Nach so vielen mittelprächtigen bis enttäuschenden Videospielverfilmungen gelang es endlich einmal, ein gefeiertes Game auf spannende und komplexe Weise in ein neues Medium zu überführen, den Wegfall der interaktiven Komponente erfolgreich aufzufangen. Die Zuschauer*innen können hier voll und ganz abtauchen, sich mitreißen lassen, obwohl sie anders als in der Vorlage nicht selbst in das Geschehen eingreifen. Was passiert, wenn es keinen Ausgleich für das eigene Spielerlebnis gibt, zeigt "Der Super Mario Bros. Film", eine Adaption der populären Super-Mario-Reihe aus dem Hause Nintendo. Alle noch so eifrig eingeflochtenen Zitate und Rückgriffe auf die Spielwelt sind nur halb so viel wert, wenn Geschichte und Figuren völlig flach bleiben, kein bisschen „atmen“.

Gewarnt sein durfte man schon wegen der knappen Ansetzung der Pressevorführungen, die erst am Abend vor dem Kinostarttag über die Bühne gingen. Ein derart kurzes Zeitfenster verheißt meist nichts Gutes, deutet darauf hin, dass der Verleih Angst vor Verrissen hat. Was auch immer in diesem Fall der Grund gewesen sein mag – nach der kolossal gescheiterten Live-Action-Version Super Mario Bros. aus dem Jahr 1993 gibt es erneut keinen Grund für große Begeisterungssprünge. 

Der im Animationsgewand daherkommende jüngste Versuch, die Nintendo-Marke (noch weiter) zu kapitalisieren, ist mit seinen knallbunten Bildern viel näher an der Spielästhetik dran und verwendet zahlreiche klassische Elemente – angefangen bei den Fragezeichenblöcken bis hin zu Bausteinen der Originalmusiken. Die Nostalgie der Fans wird pausenlos bedient. Manchmal auf charmante Weise, des Öfteren sind die Goodies aber auch arg beliebig platziert. Etwa wenn aus heiterem Himmel die fahrbaren Untersätze aus Mario Kart zum Einsatz kommen.

Das, was sich die Macher*innen rund um die Produzenten Chris Meledandri (Ich – Einfach unverbesserlich) und Shigeru Miyamoto (Schöpfer der Mario-Reihe) inhaltlich ausgedacht haben, liest sich wie folgt: Nach dem Sprung in die Selbstständigkeit zahlen die Klempnerbrüder Mario und Luigi Lehrgeld. Aufträge lassen auf sich warten. Und werden die beiden doch einmal gebraucht, endet ihre Arbeit im Chaos – wie bei ihrer Mission in einem luxuriösen Badezimmer, das sie in einer gelungenen Slapstick-Passage mit Unterstützung eines wütenden Hundes in ein Schlachtfeld verwandeln. 

Als ein größerer Schaden ihren Stadtteil Brooklyn unter Wasser zu setzen droht, wollen die Sanitärexperten heldenhaft einschreiten. Dumm nur, dass sie durch eine mysteriöse grüne Röhre im Untergrund in eine magische Welt transportiert werden und dort an unterschiedlichen Orten aufschlagen. Mario fahndet sofort nach Luigi und trifft im Pilzkönigreich auf den Pilzkopf Toad und die Prinzessin Peach, die einen Angriff der bösen Schildkröte Bowser, dem Herrscher des Dunkellandes, befürchtet. Dieser treibt zwar finstere Eroberungspläne voran, hat aber noch etwas anderes im Sinn: Peach soll seine Gemahlin werden. 

Von einem Werk wie Der Super Mario Bros. Film können wir nicht verlangen, dass es aus eher schlichten Videospielfiguren spektakulär mehrdimensionale Charaktere zaubert. Ein bisschen Profil wäre allerdings nicht schlecht gewesen. Zaghafte Versuche, die Protagonisten etwas plastischer zu gestalten, sind da. Allein: Ernsthaft verfolgt werden sie nicht. Eine Rückblende und platte "Zusammen sind wir stark"-Beteuerungen behaupten eine innige Brüderbeziehung, die faktisch nie zu spüren ist. Schlimmer noch: Drehbuchautor Matthew Fogel (Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss) hat keine echte Verwendung für Luigi, der im Mittelteil als Gefangener Bowsers fast komplett von der Bühne abtritt. Das „Bros.“ im Titel könnte man daher genauso gut streichen. In die Kategorie „Generisch und langweilig“ fällt ferner der Antagonist, der den üblichen Weltherrschaftsideen anhängt. Dass er die Liebe der Prinzessin erzwingen will, ist potenziell reizvoll. Einmal mehr wird daraus jedoch kein Saft gepresst. Als kleiner Lichtblick erweist sich immerhin Peach, die zupacken und kämpfen darf und damit die passive Rolle aus den Videospielen ablegt.

Das Tempo ist hoch, einige Gags funktionieren, und manche Jump-and-Run-Choreografien sind wirklich amüsant. Das Fehlen einer emotional auch nur halbwegs fesselnden Handlung springt einen dennoch direkt an. Der dünne Plot ist letztlich bloß ein Aufhänger für levelartige Challenges, die die Game-Herkunft unterstreichen. Bezeichnenderweise versinkt die letzte halbe Stunde in einem Actionfeuerwerk, das Willkür noch stärker zum obersten Prinzip erhebt. Ausrufen möchte man spätestens an dieser Stelle „Mamma mia!“, um eine von den Hauptfiguren ständig benutzte Wendung zu zitieren. Was vorab zu befürchten war, bewahrheitet sich in weiten Teilen: Die neue Super-Mario-Achterbahnfahrt ist weniger ein Film mit aufregenden Figuren und mitreißender Geschichte, sondern ein gigantischer Werbeclip, der bei allem schönen Nostalgieschmuck in seinem Kern hohl bleibt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-super-mario-bros-film-2023