Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody (2022)

Weil ich es will

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Biopics „werden dem Bedürfnis gerecht, Einblick in das Privatleben populärer Personen zu nehmen“, heißt es in „Reclams Sachlexikon des Films“. Seit Beginn des Kinos wird diesem Bedürfnis eifrig nachgegangen, was – wie etwa im Falle von „Bohemian Rhapsody“ (2018) über den Queen-Frontmann Freddie Mercury – sowohl zu einem finanziellen Erfolg als auch zu diversen Oscar-Nominierungen und -Auszeichnungen führen kann. Oft lassen sich hier eindrückliche Schauspiel-Verwandlungen und beachtliche Leistungen der Make-up- und Kostüm-Abteilung feststellen – und doch bleiben die Filme letztlich vor allem eine Nacherzählung und Bebilderung eines persönlichen Werdegangs, ohne eigene künstlerische Idee.

Auch Whitney Houston – I Wanna Dance with Somebody ist in erster Linie ein verfilmter (Teil-)Lebenslauf, der die vermeintlich wichtigsten Stationen in der Vita der titelgebenden Sängerin und Schauspielerin abhakt – angefangen im Jahre 1983, kurz bevor Houston von dem Produzenten Clive Davis (Stanley Tucci) entdeckt und unter Vertrag genommen wird, bis zum frühen Tod im Alter von 48 Jahren im Februar 2012. Von den erwähnten Einblicken gibt es viele; Einsichten und Erkenntnisse hingegen nur wenige.

An Hauptdarstellerin Naomi Ackie liegt das indes nicht: Es gelingt der 1992 geborenen Britin nicht nur, einen Zeitraum von beinahe drei Dekaden absolut glaubhaft zu verkörpern; sie wirkt in den zahlreichen ikonischen Outfits, die Houston bei Auftritten oder in Musikvideos getragen hat (von edlen Kleidern bis hin zum weißen Jogginganzug), auch niemals verkleidet. Ackie kommt Houstons Art verblüffend nahe, ohne diese imitieren zu müssen. Das ist fraglos faszinierend.

In der ersten Hälfte ist das von Kasi Lemmons inszenierte Werk, zu dem der Biopic-erfahrene Anthony McCarten (Die dunkelste Stunde, Bohemian Rhapsody) das Drehbuch geschrieben hat, eine Feier des Aufstiegs. Mit Davis’ Unterstützung avanciert Houston zum Superstar. Stets begleitet und überwacht wird ihre Karriere von ihrer strengen Mutter, der Sängerin Cissy Houston (Tamara Tunie), und ihrem Vater John Houston (Clarke Peters), der sich als Geschäftsmann sieht und seine Tochter fortan vermarktet.

Wenn Houston etwa im Jahre 1991 die Nationalhymne beim Super Bowl singt, setzt Lemmons dies als gigantischen Augenblick in Szene. Die Regisseurin kopiert dabei aber im Grunde einfach nur das, was auch die damaligen Medien aus einem solchen Moment gemacht haben: eine glamouröse Show. Was dem Film fehlt, ist ein individueller kreativer Zugang, der uns etwas Neues, bis dato Unbekanntes zeigen würde. Filmbiografien, die beispielsweise eine prägnante Episode im Leben ihrer Protagonist:innen herausgreifen (wie Spencer über Prinzessin Diana) oder sich in ihrer Form den Stil der Porträtierten zu eigen machen (wie das Musical Rocketman über Elton John), finden gerade durch eine gewisse Abweichung von dem Weg, der durch die Realität vorgegeben ist, zum Kern der Person. Whitney Houston – I Wanna Dance with Somebody ist derweil in der ersten Stunde eher ein Best-of.

Das mag recht konventionell und nur bedingt ambitioniert sein, bietet jedoch immerhin schöne Bilder und Töne. Die zweite Hälfte des Films gerät entsprechend dieser Formel hingegen zum Worst-of und driftet in einigen Passagen gar zur Soap mit unangenehmem Regenbogenpresse-Charakter ab. Ashton Sanders, bekannt aus dem großartigen Drama Moonlight (2016), beweist mit seiner Darstellung von Houstons Ehemann Bobby Brown zwar seine Wandelbarkeit; zu einer schlüssigen, nachvollziehbaren Figur wird Brown hier allerdings nie. Die destruktive Beziehung zwischen Houston und Brown, die mit Drogenkonsum und heftigen Streitigkeiten einherging, wird in ihrer verdichteten Schilderung zu einem einzigen Klischee. Noch ärgerlicher ist schließlich, wie auch die letzten Lebensstunden der Sängerin im Beverly Hilton Hotel pflichtschuldig abgebildet werden.

Was den Film neben Ackies hingebungsvoller Verkörperung trotz aller Schwächen sehenswert macht, sind zwei Dinge. Zum einen sind es die Szenen, die Houston und Davis zeigen. Mit ihrem Produzenten findet die Künstlerin immer wieder ihren speziellen musikalischen Style – und Davis ist es auch, der Houston zum ersten Entzug bewegen kann. Stanley Tucci spielt die Rolle wunderbar zurückhaltend und warmherzig.

Zum anderen geht Whitney Houston – I Wanna Dance with Somebody auch auf die enge, mutmaßlich romantische Beziehung ein, die Houston mit ihrer langjährigen besten Freundin und Kreativassistentin Robyn Crawford (Nafessa Williams) führte. Während die skandalträchtige Ehe mit Brown in einfallslosen und kaum erhellenden Sequenzen geschildert wird, legt das Werk in dieser Hinsicht wesentlich mehr Einfühlungsvermögen an den Tag. Es lässt Houston dabei deren Widersprüche. „Wir machen das – weil ich es will!“, sagt Houston zu Crawford, kurz bevor sie Brown heiratet. Hier schafft es der Film, keine eindeutigen Erklärungen zu liefern und doch ein stimmiges Bild einer eigensinnigen Persönlichkeit zu zeichnen. Bald darauf hastet er dann aber wieder zum nächsten Plot Point.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/whitney-houston-i-wanna-dance-with-somebody-2022