Blueback - Eine tiefe Freundschaft (2022)

Auf dem Rücken eines Lippfisches

Eine Filmkritik von Patrick Torma

Das Meer ist ein Sehnsuchtsort. Gerne lassen wir den Blick über die schier unendliche Weite schweifen. Doch was wissen wir Luftatmer schon darüber, wie es um den Zustand des Meeres unterhalb der Wasseroberfläche bestellt ist? Basierend auf einer Geschichte des Schriftstellers Tim Winton betreibt die australische Produktion "Blueback – Eine tiefe Freundschaft" familienfreundliche Aufklärung. Darin wird ein putziger Lippfisch zum Maskottchen eines gefährdeten Lebensraums.

An ihrem achten Geburtstag öffnet sich für Abby (Ariel Donoghue) eine neue Welt: Von ihrer meeresverbundenen wie fordernden Mutter Dora (Radha Mitchell) regelrecht zu ihrem Glück gezwungen, taucht sie erstmals in die Tiefe der heimischen Bucht hinab. Die anfängliche Furcht ist gerade überwunden, da wird sie von einem mächtigen Schatten überrascht. Ein Hai? Glücklicherweise nur ein Lippfisch. Respekteinflößend groß geraten, aber von der besonders zutraulichen Sorte. 

Eine Freundschaft fürs Leben deutet sich an, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn übermäßig viel Screentime bekommt das ungleiche Duo nicht spendiert. Blueback, wie Abby ihren maritimen Gefährten tauft, ist mehr MacGuffin als Protagonist, der emotionale Kitt, der die Figuren zusammenhält und als Gesicht einer „Schütze, was du liebst“-Botschaft herhält. Zugegeben, damit erfüllt Blueback für einen Lippfisch erstaunlich viele Funktionen, und auch die Tatsache, dass der schuppige Mini-Riese von Menschenhand gesteuert und somit angenehm plastisch durchs Riff gleitet, unterstreicht das Star-Potenzial, das in ihm schlummert. Aber um es festzuhalten: Ein tierisches Buddy Movie ist Blueback – Eine tiefe Freundschaft nur am Rande.

Im Fokus steht stattdessen die Tochter-Mutter-Beziehung, die wir über verschiedene Lebensphasen hinweg begleiten. In der erzählten Gegenwart ist Abby (Mia Wasikowska) erwachsen und Meeresbiologin. Einst angetreten, um die Ozeane vor menschengemachtem Schaden zu bewahren, mag sie an einen echten Impact ihrer Arbeit nicht mehr glauben. „Euer Zuhause stirbt, und ich kann nichts dagegen tun“, seufzt sie den Tropenfischchen im Aquarium an Bord ihres Forschungsschiffes zu. In diesem Fatalismus bleiben sie zurück, denn im nächsten Moment gerät die Weltrettung zur Nebensache: Dora hat einen Schlaganfall erlitten. 

Während Abby im Jetzt versucht, zu ihrer – nicht nur krankheitsbedingt – entfremdeten Mutter (Liz Alexander) durchzudringen, erzählt der Film in Rückblenden eine klassische Coming-of- Age-Geschichte, gekreuzt mit einem familienfreundlichen Umwelt-Thriller: Die Unversehrtheit des heimischen Paradieses steht auf dem Spiel – für Abby geht das Erwachsenwerden mit dem Erwachen eines ökologischen Bewusstseins einher. 

In einem Setting, in dem schon bald die Bagger der bösen Corporate das schöne Naturerleben stören, bleibt ein aktivistisches Grundrauschen nicht aus – und mancher Kommentar in Robert Connollys Film richtet sich ganz klar an die Fraktion jener, die schon bei der bloßen Erwähnung von Fridays for Future Schaum vorm Mund haben. Aber die wird diese Produktion ohnehin kaum erreichen. Dabei gibt es einiges mitzunehmen. Blueback adressiert eine Reihe von Problemen, die unseren Ozeanen und dem Leben darin zu schaffen machen. Versauerung und Korallensterben, Überfischung und Verlust von Biodiversität – diese und andere Folgen des Klimawandels und des Raubbaus werden klar benannt, inszenatorisch jedoch behutsam, ohne allzu drastische Bilder, einfangen.

Endzeit-Blues kommt so nicht auf, im Gegenteil, durch das farbenprächtige Kaleidoskop weitschweifiger Naturpanoramen, Instagram-tauglicher Sonnenuntergänge und artenreicher Unterwasseraufnahmen betrachtet, behält die gute Laune Oberhand. Ja, Blueback mag stellenweise zu glatt, in einzelnen Story-Versatzstücken zu vorhersehbar sein. Getragen von fünf starken Schauspielerinnen (allen voran Newcomerin Ilsa Fogg, die als Teenie-Abby übernimmt) und einem zauseligen Eric Bana in einer Nebenrolle geht Blueback eine herzerwärmende wie gehaltvolle Symbiose aus Familiendrama und Umweltfilm ein.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/blueback-eine-tiefe-freundschaft-2022