Sibirisch für Anfänger (2021)

Von der Tragik und Komik des russischen Dorflebens

Eine Filmkritik von Paul Katzenberger

Es erscheint wichtig zu sein, aber in Wahrheit ist es doch so sinnlos: In ihrem Episodenfilm "Sibirisch für Anfänger" zeigen die zwei jakutischen Regisseure Stepan Burnaschew und Dmitrij Dawidow ihre Heimat als Ort, der bei all seiner Tragik schon wieder witzig ist.

Die russische Republik Jakutien im fernen Osten Sibiriens erstreckt sich über die Fläche der knapp neunfachen Größe Deutschlands, doch es leben dort weniger als eine Million Menschen. 

Die Bewohner dieser entlegenen Region könnten sich also gut aus dem Weg gehen, doch der neue Episodenfilm Sibirisch für Anfänger schildert das Gegenteil: Die riesige Natur zwingt die Bewohner der Republik in enge Dorfgemeinschaften, in denen jeder jeden kennt – und diese Art der sozialen Kontrolle scheint dem Miteinander in einem Umfeld von Korruption, Perspektivlosigkeit und staatlicher Willkür nicht unbedingt förderlich zu sein. Dass hier sehr viele Menschen ein Gewehr besitzen und dem Alkohol zugetan sind, macht die Situation auch nicht besser.

In Sibirisch für Anfänger zeigen die zwei jakutischen Filmemacher Stepan Burnaschew und Dmitrij Dawidow ihre Heimat als eine kleine Welt der sinnlosen Meinungsverschiedenheiten, der Missverständnisse und der physischen Gewalt: Zwei Jäger geraten in eine Prügelei, weil sie sich nicht einigen können, wer gerade eine Ente vom Himmel geschossen hat, wobei es – wie sich herausstellt – keiner von ihnen beiden war. Ein Ehepaar gerät in Streit darüber, welcher der zwei favorisierten Kandidaten zu wählen sei. Es gewinnt schließlich der dritte Bewerber, der als reiner Zählkandidat aufgestellt worden zu sein schien. Ein Mann wird gegen einen Nachbarn gewalttätig, weil er vermutet, dass dieser sein verlorenes Geld an sich genommen hat. Doch dann kommt das Geldbündel hinter der heimischen Schrankwand zutage.

Jede der Episoden, die Sibirisch für Anfänger erzählt, ist für sich genommen deprimierend, doch im Zusammenspiel der sieben kurzen Fabeln wird aus der gottlosen Tragödie menschliche Komik. Die Plots fügen sich zu einem Mosaik des Lebens, in dem neben dem Düsteren auch viel Lustiges durchscheint.

Visuell ist der Film interessant gemacht: In langen Einstellungen zeigen die Regisseure das Geschehen, nutzen die Cinemascope-Leinwand, um die Kargheit des Lebens wirken zu lassen, das sich immerhin in ordentlichen und sauberen Häusern mit bunten Türen, Dächern und modernen Inneneinrichtungen abspielt. 

Sibirisch für Anfänger wirkt so oft wie ein Dokumentarfilm, der dem Zuschauer einen zutreffenden Eindruck vermitteln soll, wie sich das Leben in dieser fernen Weltgegend tatsächlich abspielt. 

Die Regisseure lassen immer offen, wie ihre tragischen Kurzgeschichten ausgehen. Das ist so gewollt, um dem Geschehen selbst eine Allgemeingültigkeit zu verleihen, die vom Ergebnis unabhängig ist. So kurz gedrängt und sich wiederholend, wie Sibirisch für Anfänger erzählt ist, erscheint der Film in seiner Aussage dadurch aber etwas belanglos.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/sibirisch-fuer-anfaenger-2021