Grump - Auf der Suche nach dem Escort (2022)

Die Reise des alten Griesgrams

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eigentlich wollte der alte Mann (Heikki Kinnunen), dessen mürrische Art ihm die titelgebende Bezeichnung "Grump" eingebracht hat, schon in der Jugend hinaus in die Welt ziehen. Doch es kam anders. Nun, mit über 70 Jahren, verlässt der Witwer endlich sein Bauernhaus in Finnland für eine Reise nach Deutschland. Sein Ford Escort, Baujahr 1972, ist nämlich im Graben gelandet und verschrottet worden. Grump aber möchte wieder genau ein solches Automodell haben, und sein Nachbar Kolehmainen (Silu Säppälä) hat im Internet ein Angebot gefunden, von einer deutschen Adresse. Vielleicht aber sehnt sich Grump insgeheim auch danach, seinen in Deutschland lebenden Bruder Tarmo (Kari Väänänen) wiederzusehen, zu dem er seit der Jugend keinen Kontakt mehr hat.

Ein Roadmovie aus Skandinavien mit einem grummeligen, alten Mann, der nie seine Fellmütze ablegt, verspricht Kinounterhaltung mit lakonisch-trockenem Humor. Der Regisseur Mika Kaurismäki (Master Cheng in Pohjanjoki) erfüllt diese Erwartung, wobei er sich an der Schnittstelle zwischen Tragik und Komik bewegt. Je nach Perspektive oder innerer Distanz, heißt es im Regie-Statement, könne einem das Leben traurig oder wie eine Komödie vorkommen. Es gibt viele Szenen, die zum Schmunzeln verleiten, wenn der sture Alte in der Welt von heute, der er seine moralischen Maßstäbe nie angepasst hat, unterwegs ist. Allein schon seine miesepetrige Art im Umgang mit den eigenen Söhnen oder dem Bruder, den er auf der Reise trifft, sorgen für Komik, die aber nie besonders deftig ausfällt. Weil ein Hamburger Taxifahrer beim Stichwort "Escort" an etwas anderes denkt als an einen Wagen, gibt es allerdings auch einen pikanten kleinen Abstecher ins Bordell.

Grump wird in Hamburg ausgeraubt und zusammengeschlagen. Als er im Krankenhaus erwacht, sitzt Tarmo an seinem Bett. Wenn Grump jemals seinen Ford Escort '72 haben will, muss er sich vom Bruder helfen lassen. Zu Grumps Erstaunen – und Missfallen – lebt Tarmo in einem Wohnmobil in einer Wohnwagenkolonie. Es widerspricht Grumps Weltbild, dass die Bewohner keine mittellosen Aussteiger sind, sondern in akademischen Berufen Geld verdienen. Doch ob ihn das überhaupt weiter interessiert, behält er seinem verschlossenen Naturell entsprechend lieber für sich. Grump und Tarmo setzen die Reise gemeinsam fort, um den Ford Escort zu kaufen, und erhalten so Gelegenheit, ihre alten Konflikte zu klären.

Das Thema einer Reise im höheren Alter, um den entfremdeten Bruder zu besuchen, erinnert an David Lynchs The Straight Story – Eine wahre Geschichte aus dem Jahr 1999. Auch bei Kaurismäki, der für seinen Film eine Romanvorlage von Tuomas Kyrö verwendete, setzt sich der Alte auf einen Traktor, allerdings nur für den Weg bis zum Flughafen. Bald aber geht es bei Kaurismäki weniger um die Reise durch ein Land, das sich stark verändert hat, als um das Zwischenmenschliche, und zwar nicht nur in der Beziehung der beiden Brüder, die so unterschiedliche Wege im Leben einschlugen. Auch Grumps Söhne Pekka (Ville Tiihonen) und Hessu (Iikka Forss) nähern sich im Austausch über ihre Kindheit und ihre jetzige Situation im Leben einander wieder an. Hat ihnen der Vater jemals gesagt, dass er sie liebt? Diese Frage stellt Hessu, der selbst Kinder hat, dem Bruder. Zum Dank dafür, dass Hessu und Pekka seinen Unfallwagen zum Schrottplatz bringen ließen, hat ihnen der Alte erst kürzlich seine Mütze um die Ohren gehauen und sie verstoßen.

Es bereitet Vergnügen, wie sich Grump seinem Image zum Trotz doch als pragmatisch denkender und hilfsbereiter Mensch entpuppt. Er fackelt halt nicht lange, wenn er etwas für richtig hält. So sorgt er kurzerhand dafür, dass Tarmo seine Tochter Maria (Rosalie Thomass) besucht. Auch diese Beziehung kam früh zum Erliegen – und Grump erkennt, wie sehr sich sein Bruder danach sehnt, sie wiederaufzunehmen. Bei Maria angekommen, schiebt sich Grump mit dem Befehl an Tarmo und seine Tochter, sich zu versöhnen, an dieser vorbei in ihr Haus. Doch ganz so einfach lässt sich die Sache dann doch nicht regeln. 

Kaurismäki lässt auf der Deutschlandreise der beiden alten Brüder zwischendurch das BAP-Lied Verdamp lang her erklingen, das ganz gut die Sehnsucht nach Versöhnung und die Reue orchestriert, welche die vereinsamten Männer in ihrem Inneren hegen. Aber der Film drückt nie auf die Tränendrüse. Selbst wenn sich die Brüder wechselseitig im Krankenhaus besuchen müssen, überziehen sie sich ungerührt mit kritischen Kommentaren. Auch der klischeehaften, allzu oft bestätigten Erwartung, dass es in einem Film über alte Leute um den Abschied vom Leben geht, schlägt Kaurismäkis Dramödie ein Schnippchen. Darin ist sie so manchem Alterswerk von Clint Eastwood nicht unähnlich, beispielsweise The Mule. In einem echten Roadmovie geht es ja schließlich vor allem um die unternehmungslustige Freude am Fahren, und diese Lust bewahren sich Grump und Tarmo bis zur letzten Filmminute.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/grump-auf-der-suche-nach-dem-escort-2022