Robin Bank (2022)

Legalität vs. Legitimität

Eine Filmkritik von Falk Straub

Er nahm von den Reichen und gab es den Armen. Die Presse bezeichnete den 1976 nahe Barcelona geborenen Enric Duran daraufhin als „Robin Hood der Banken“ oder „Robin Banks“ bzw. „Robin Bank“. Fast eineinhalb Jahrzehnte ist das nun her, und der antikapitalistische Aktivist ist untergetaucht, um sich einer Haftstrafe zu entziehen. Regisseurin Anna Giralt macht sich auf die Suche nach ihm und keinen Hehl aus ihrem voreingenommenen Verhältnis zur Thematik.

Die Regisseurin, Jahrgang 1978 und nur zwei Jahre jünger als Duran, ist wie er Katalane, hat die Demonstrationen gegen das Finanzsystem aufmerksam verfolgt und den Protagonisten ihres Films aus der Ferne bewundert. Gleich zu Beginn legt sie ihre Position in einem Kommentar aus dem Off offen: „Aufstände faszinieren mich. Sie machen Hoffnung auf Veränderung. In diesen Momenten scheinen wir eine gewisse Macht zu haben, aber sie machen mir auch Angst.“

Was Giralt ängstigt, ist die Gewalt, zu der es bei vielen Protesten kommt. Gewalt lehnt sie kategorisch ab. Und auf die Straße traut sie sich mit ihrer Kamera erst, wenn die Ausschreitungen vorüber sind. „Ich filme seit Jahren Aktivisten und finde es immer schwieriger, die Grenze zwischen Legalität und Legitimität zu ziehen“, sagt sie aus dem Off. An Enric Duran habe sie stets dessen Gewaltlosigkeit bewundert. Die Frage, ob das, was er tat, wenn schon nicht legal, dann zumindest legitim war, stellt sich aber auch bei ihm. Und die Frage, ob all das, was (im Bankenwesen) legal ist, auch immer legitim ist.

Anna Giralts Dokumentarfilm ist eine Mischung aus Spurensuche und Rekonstruktion. Während sich die Regisseurin, die zwar nicht im Bild zu sehen, aber aus dem Off zu hören ist, aktiv auf die Suche nach dem Untergetauchten macht, rekapituliert sie für ihr Publikum dessen Ganovenstück mithilfe putziger Animationen. Ein Männlein hangelt sich durch den Finanzdschungel und zeigt auf, wie das Finanzwesen im Allgemeinen und die Kreditvergabe im Speziellen funktionieren.

Es ist faszinierend zu sehen, wie einfach es war, 39 Banken um ihr Geld zu erleichtern. Und es ist interessant zu erfahren, dass längst nicht alle davon Duran verklagt haben. Vielleicht, weil ihre leichtfertige Kreditvergabe an Menschen ohne jegliche Sicherheiten zwar legal, aber nicht legitim war. Und vielleicht auch deshalb, weil die Banken nach der Finanzkrise 2008 vom Staat gerettet wurden, während ihre Schuldner vom Staat alleingelassen noch tiefer in die Krise stürzten.

Über Enric Durans Mutter, die ihren Sohn seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hat und nur über verschlüsselte E-Mails Kontakt zu ihm hält, nimmt auch die Regisseurin Kontakt zu ihm auf und protokolliert ihren Schriftverkehr. Auf einem Boot, mit dem Duran zu einer Konferenz nach England segeln will, kommt es schließlich zu einem Treffen. Hier bestätigt sich das Bild, das Giralt bis dahin von Duran gezeichnet hat.

Vor ihr sitzt ein intelligenter Mensch, der jedes Wort mit Bedacht wählt. Ein Grübler, dem viel im Kopf herumgeht und der nicht von allen alten Weggefährten positiv gesehen wird. Ein Stratege, der behauptet, das nächste große Ding zu planen, wobei bereits diese Behauptung bloße Strategie sein könnte. Mit dem von ihm proklamierten „finanziellen zivilen Ungehorsam“, der trotz der Finanzkrise 2008 ebenso wie eine Revolution oder ein Systemwechsel ausgeblieben ist, scheint er es jedoch ernst zu meinen. Man darf gespannt sein, was da noch kommt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/robin-bank-2022