Mad Heidi (2022)

Alpentochter im Blutrausch

Eine Filmkritik von Sarah Stutte

In einer dystopischen Schweiz hat der größenwahnsinnige Tyrann Meili (Casper Van Dien, „Starship Troopers“) die Bevölkerung mit seinem faschistischen Käse-Imperium in der Hand. Im Alpenland merzt er deshalb gnadenlos die Laktoseintoleranten aus, die seinen Umsatz gefährden. Doch das ist ihm nicht genug: Mit einem neuen Superkäse, der hirn- und willenlos macht, will er eine Käse-Zombie-Armee erschaffen, die ihm die Weltherrschaft garantiert.

Diese Rechnung hat er aber ohne den Alpöhi (David Schofield) und vor allem seine Enkelin Heidi (Alice Lucy) gemacht. Zu Beginn führen  beide ein eher beschauliches Leben auf ihrer Alp bei Davos. Weit weg von der brutalen Meili-Diktatur. Heidi ist verliebt in den Geissen-Peter (Kel Matsena), der aber nebenbei einen kleinen Zusatzhandel betreibt. Er verkauft seinen Geissen-Käse schwarz an ausländische Interessenten – ein Geschäft, das nicht lange lukrativ für ihn bleibt.

Meilis Schergen, allen voran der sadistische Kommandant Knorr (Max Rüdlinger), bekommen davon Wind und blasen dem Geissen-Peter in aller Öffentlichkeit buchstäblich den Kopf weg. Danach nehmen sie Heidi in Gewahrsam, deren entsetzte Schreie verraten haben, dass sie in Verbindung zu dem Landesverräter steht. Nicht ohne vorher noch den Alpöhi in die Luft zu jagen. Das ist zu viel für Heidi, die im Drill-Knast unter der Folter des wahnsinnigen Dr. Schwitzgebel (Pascal Ulli) und der bösartigen Fräulein Rottweiler (Katja Kolm) von der netten Vorzeige-Berglerin zur Alpen-Amazone mutiert und blutige Rache schwört.

Mad Heidi, der erste Exploitation-Film der Schweiz, ist genauso wild und abgedreht, wie sich die Beschreibung liest. Der Großteil des Budgets wurde dabei nicht von einem namhaften Studio, sondern von Horrorfans aus aller Welt mittels Crowdfunding-Kampagne finanziert. Das Neue daran: Sie fungierten dabei als sogenannte Investoren, macht der Film also Gewinn, verdienen sie ebenfalls. Also griffen alle großzügig in ihre Taschen und so kamen am Ende rund zwei Millionen US-Dollar zustande und damit auch ein filmisches Erlebnis, das sich sehen lassen kann. Von den gut gemachten Spezialeffekten, in denen viel explodiert, bis zu den viszeralen Splatter-Momenten, in denen der ein oder andere Kopf rollt  – der absurden Kreativität wurden hier einmal keine Grenzen gesetzt.

Nicht nur, dass die Drehbuch-Crew, zu der unter anderem auch die US-Horrorgröße Trent Haaga gehörte, Johanna Spyris traditionell-kitschige Heidi-Saga schamlos einmal ganz durch den Fleischwolf drehte. Es werden munter noch mehr Schweizer Klischees zweckentfremdet: Vom Fondue bis zur Cervelat und schließlich einheimischen Animationsfilmschaffenden. Auch die Anspielungen auf Genre-Klassiker wie Kill Bill, Gladiator oder Karate Kid scheinen hier in vielen Szenen durch, gepaart mit dem Trash-Humor von Kung Fury oder Iron Sky. Zudem dürften einige Ausrufe wie „Jodel this“ und „Rest in Cheese“ sicher Kultstatus erreichen.

Was man dem Film der beiden Regisseure Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein überdies zugute halten muss, ist seine Vielzahl an diversen Charakteren, die hier wie selbstverständlich in der Geschichte ihren Platz finden. Vom dunkelhäutigen Geissen-Peter muss gar eine rudimentäre Skizze angefertigt werden, um ihn in einem Dorf mit überwiegend weißen Bewohnern zu erkennen. Und obwohl der Sexismus zu einem Exploitation-Film quasi dazugehört, hat Mad Heidi dennoch genügend Frauenpower-Charme, sogar mit geistlicher Unterstützung der Lichtgestalt Helvetia.  

Kurzum: Für Genrefans ist diese neue Heidi, die von der britischen Newcomerin Alice Lucy sehr effektiv gespielt wird, ein kurzweiliges, blutig-verrücktes Vergnügen. Das Einzige, was Mad Heidi angekreidet werden kann, ist, dass er fast zu gut aussieht für eine Grindhouse-Hommage Marke Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez. Der Anfang und der Schluss lassen die visuelle Nähe durchschimmern, doch letztlich fehlt das Grobkörnige, das diese Filme ausgemacht hat. Der erste Swissploitation-Film mit seinem zukunftsweisenden Budgetmodell hätte ruhig noch eine Spur mehr Dreck vertragen können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/mad-heidi-2022