Petrol (2022)

In der atmosphärischen Schwebe

Eine Filmkritik von Sebastian Seidler

Eva (Nathalie Morris) kommt in ihrem Filmstudium nicht so wirklich voran. Während ihre Kommilitonen gemeinsame Filmabende feiern, sperrt sie sich im Schneideraum ein, um an einem Porträtfilm für ein Seminar zu arbeiten. Zufrieden ist sie nicht. Ihre Mutter versucht den Druck von ihr zu nehmen, schließlich würde sie ja erst lernen, wie man einen Film macht. Eva aber insistiert in absoluter Überzeugung, dass Film ein Ausdruck des echten Lebens sei, das sie eben finden müsse.

Dann lernt die junge Frau die eigenwillige Performance-Künstlerin Mia (Hannah Lynch) kennen, die sie bereit vorher bei einer eigentümlichen Aufführung am Strand beobachtet hat. Zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, die allerdings immer rätselhaftere Züge annimmt. Mia verschwindet oft für Tage, scheint Evas Gedanken lesen zu können und unheimliche Erscheinungen häufen sich. Es ist gut möglich, dass hier Geister ihre Finger im Spiel haben.

So zumindest könnte eine Antwort auf all die Absonderlichkeiten in Alena Lodkinas Film lauten. Doch so einfach liegen die Dinge in Petrol nicht, der eine hochstilisierte und letztlich erschütternde Geschichte über Einsamkeit erzählt: Da zerbricht eine idealistische Studentin an ihren eigenen Ambitionen, vergräbt sich in die Arbeit an einem Drehbuch und damit in ihrer eigenen Welt.

Immer wieder wiederholen sich in dieser Version der Ereignisse kleine Alltäglichkeiten, Symbole und Vorkommnisse. So zaubert Mia mit einem Augenzwinkern eine Picknickdecke an den Strand. Wenige Szenen später liest der Vater in der Küche aus einem russischen Buch vor, in dem wie durch Zauberei ein Tisch gedeckt wird.

Eva nimmt Versatzstücke aus ihrem Leben, um über etwas hinwegzukommen. Gut möglich, dass sie die Beziehung zu Mia idealisiert und diese die freundschaftlichen Gefühle nicht erwidert hat. Doch all das lässt Lodkina in einer atmosphärischen Schwebe offen; es geht ihr nicht darum, was genau vorgefallen ist, was wirklich der Fall war. Wichtig ist, auf welche verzweifelte Art versucht wird, sich eine Freundschaft zu imaginieren. Dieses Labyrinth ist der Ausdruck. Es ist das Leben, das Eva so gerne hätte.

Was Petrol dabei so fantastisch macht, ist die Tatsache, dass sich der Film einen amateurhaften Ton erlaubt: In aller Konsequenz hat die Filmemacherin ihre Geschichte der Hauptfigur in die Hände gegeben: Eva ist dieser Film und dieser Film ist Eva. Sprunghaft, kindisch und ziemlich einsam.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/petrol-2022